MAN Truck & Bus
Bauteile im Test Manuel Marx, Leiter der Gesamtfahrzeugentwicklung von MAN (im roten Pullover), und Stephan Schütt, Chefentwickler Kabine/Chassis (im blauen Anzug), begutachten viele Arbeitsschritte persönlich. Die Kühlerstütze wurde nochmals optimiert, nachdem bei einem Langzeitanwendungstest Risse aufgetreten waren.
Die Lastwagen und Busse der Zukunft entstehen an einem konkreten Ort: dem Gebäude A60 in München. Das EPI-Zentrum (Erprobungs-, Prototypen- und Innovationszentrum) auf dem MAN-Werksgelände ist nur für Eingeweihte zu erreichen. Zwei Sicherheitsschranken schützen die geheime Entwicklungsarbeit vor neugierigen Blicken. Auf 33.000 Quadratmeter Fläche arbeiten 360 Ingenieure an neuen Fahrzeugkonzepten. Einer von ihnen ist Dr. Manuel Marx. Der Leiter der Gesamtfahrzeugentwicklung von MAN trägt weder Anzug noch Laborkittel, sondern Jeans und Pulli. „Wir sind keine Freaks im Elfenbeinturm, die verrückte Erfindungen entwickeln“, sagt Marx. „Unsere Projekte orientieren sich an den Bedürfnissen der Kunden. Die Ergebnisse müssen den Nutzen und die Kosten richtig ausbalancieren, um marktfähig zu sein.“
Ein Exemplar von Marx’ neuestem „Baby“ steht vor ihm in der Entwicklungswerkstatt. Stolz und fast zärtlich streicht der Entwicklungschef über den goldenen Lack eines neuen MAN TGX. Die vergangenen fünf Jahre seines Berufslebens hat Manuel Marx in erster Linie diesem Fahrzeug gewidmet. „Wir haben die Stärken des MAN-Trucks deutlich verbessert, seine Schwächen behoben und ihn mit der neuen EE-Architektur auf die Zukunft vorbereitet“, fasst er das Ergebnis zusammen. „Das hier ist nun der optimal austarierte Lkw.“ Besonderes Augenmerk legten die Entwickler von MAN auf die Fahrerkabine. Für deren Modernisierung war Stephan Schütt verantwortlich. Der Chefentwickler Kabine/Chassis bevorzugt im Gegensatz zu seinem Kollegen Manuel Marx den klassischen Anzug. Doch wenn man erlebt, wie die beiden gut gelaunt miteinander scherzen, wird klar: Das Duo ist ein blendend eingespieltes Team. Die gemeinsame Arbeit an neuen Ideen macht ihnen große Freude. „Wir haben den Lkw-Fahrer bewusst in den Fokus der Entwicklung gerückt. Unsere Aufgabenstellung war: Wie können wir dem Fahrer seine Tätigkeit erleichtern und außerdem seinen Wohn- und Schlafkomfort verbessern?“, erzählt Schütt.
Ein neuer MAN Truck in der Entwicklungswerkstatt Nur wenn wirklich alle Ansprüche an Funktionalität, Robustheit, Design und Wirtschaftlichkeit des Fahrzeugs erfüllt sind, geben sich die Entwickler zufrieden.
In der Konsequenz wurde die Kabine innen komplett neu entworfen, während das muskulöse äußere Design nur behutsam weiterentwickelt wurde, um die Markenidentität von MAN zu wahren. Stephan Schütt bringt das Innovative der neuen Lkw-Generation auf den Punkt: „Außen Evolution, innen Revolution.“ Bis der Lkw Gestalt annahm, durchlebten die Entwickler von MAN allerdings arbeitsreiche Jahre.
Wenige Jahre nach der Einführung des ersten TGX im Jahr 2010 keimten Ideen für das Nachfolgemodell. „Sobald ein Fahrzeug einen gewissen Zyklus erreicht und bei vielen Transportunternehmen im Einsatz ist, ist es Zeit, sich Gedanken zur Optimierung zu machen“, schildert Manuel Marx, wie sich die Entwicklung der nächsten Lkw-Generation anbahnte. Anregungen und neue Anforderungen kamen dabei von mehreren Seiten: aus den Fachabteilungen von MAN und vor allem von MAN-Kunden, die Verbesserungsvorschläge zur bisherigen Lkw-Familie einbrachten. Gesetzliche Vorgaben zur Crashsicherheit, die ab 2021 gelten, spielten bei diesen Überlegungen zusätzlich eine Rolle: Spätestens dann muss MAN das neue Modell auf den Markt bringen. „Die Entwicklung eines Lkw ist viel komplexer als die eines Pkw“, stellt Stephan Schütt klar. „Wir haben nicht nur ein einzelnes Fahrzeugmodell, sondern unser gesamtes Produktportfolio modernisiert. Ein solches Projekt ist nicht leicht zu stemmen. Wegen der längeren Entwicklungszyklen bei Trucks hatten nur noch wenige Mitarbeiter im Unternehmen die Erfahrung der Einführung eines so umfassend erneuerten Produkts.“ Dennoch meisterte das Team von mehr als 200 MAN-Mitarbeitern den Prozess.
Arbeit an der Technologie der Zukunft Im EPI-Zentrum von MAN entwickeln 360 Ingenieure die Nutzfahrzeugkonzepte von morgen. Das Gebäude hat weiträumige Werkstattflächen auf fünf Etagen.
Echte Perfektionisten Manuel Marx und Stephan Schütt haben ein Auge auf alle Entwicklungsprozesse. Von der Dachterasse aus verfolgen sie die Fahrten auf einer Teststrecke.
Über diese fünf Etappen lief die Entwicklung des neuen Lkw.
15. Mai 2015
Nun wird die Entwicklung des neuen Fahrzeugs bei MAN offiziell begonnen.
18. März 2016
Mit dem Concept-Freeze legt MAN die Grundelemente des Lkw fest.
16. Mai 2017
Erstmals wird ein vollständiger Prototyp des neuen Trucks aufgebaut.
12. März 2019
Auf dem MAN-Serienband in München wird der Vorläufer produziert.
10. Februar 2020
In Bilbao (Spanien) erlebt die Weltöffentlichkeit die neue Lkw-Baureihe.
Als echte Perfektionisten suchen Manuel Marx und Stephan Schütt ständig weiter nach Verbesserungsmöglichkeiten für die neuen Produkte. Deshalb herrscht im Gebäude A60 immer eine rege Betriebsamkeit. Neue Lkw mit Erlkönig-Tarnmuster fahren aus dem Entwicklungsgebäude hinaus auf die Straßen Münchens. Auch wenige Monate vor dem Launch wird der neue Truck weiterhin ausgiebig Probe gefahren, um letzte Details zu optimieren. Von einer Dachterasse aus schauen Marx und Schütt auf eine Teststrecke mit stark unebenem Kopfsteinpflaster hinab. Diese Rüttelstrecke dient der Belastungssimulation. „Allein hier hat der neue Lkw 30.000 Kilometer absolviert, um die dauerhafte Stabilität der Bauteile zu testen“, erläutert Stephan Schütt. Der Testfahrer müsse schon nach einer halben Stunde abgelöst werden, damit er durch das Rütteln keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen erleidet – so hart ist der Belastungstest. Denn nur wenn wirklich alle Ansprüche an Funktionalität, Robustheit, Design und Wirtschaftlichkeit des neuen Trucks erfüllt sind, geben sich die Entwickler zufrieden. „Nicht alle Ideen aus der Vorentwicklung gelangen bis zur Serienreife. Besonders stolz bin ich, dass wir den Drehdrücksteller MAN SmartSelect im neuen Cockpit realisiert haben“, sagt Stephan Schütt. „Er ist eine Revolution für die Benutzerfreundlichkeit.“