MAN Truck & Bus

Der neue CEO Alexander Vlaskamp neben einem MAN Truck.

2022 Wandel weitertreiben - 2023 Ernte der Arbeit einfahren

Ein Interview mit Alexander Vlaskamp, dem neuen CEO von MAN Truck & Bus

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Herr Vlaskamp, Sie sind Ende November als neuer CEO zu MAN gekommen. Wie waren die ersten Wochen?

Alexander Vlaskamp MAN ist ein großartiges Unternehmen mit einer langen Historie, das ich vorwiegend durch die Zusammenarbeit im Verbund der TRATON GROUP kenne. In meinen ersten Wochen habe ich versucht, mir ein möglichst umfassendes Bild aus einer Innenperspektive zu verschaffen. Kurz vor Weihnachten habe ich mich beispielsweise erstmals mit einem unserer Importeure austauschen können – leider aufgrund der Pandemie nur digital. Der niederländische Importeur berichtete von begeisterten TGX-Kunden, betonte aber auch, wie wichtig das Angebot von gesamthaften Lösungen über unser Service-Netzwerk für Kunden sind und wie wir Prozesse deutlich vereinfachen und damit noch kundengerechter gestalten können. In den Niederlanden wird das Thema der E-Mobilität ebenso wie in Deutschland immer wichtiger. Mit unserem eTGE sind wir hier schon gut unterwegs. Auch unsere eTGM sorgen für Zufriedenheit beim Kunden. Insgesamt wird von uns ein klar beschriebener Pfad in Richtung E-Mobilität auch im schweren Truck-Bereich erwartet.

Wie gut vorbereitet sind wir auf den großen Wandel, vor dem unsere Branche steht?

Alexander Vlaskamp In meinen ersten Wochen bin ich hochqualifizierten und vor allem vielen sehr motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begegnet, die sich mit der Marke MAN voll identifizieren. Die große Motivationsbereitschaft und die bereits umgesetzten Maßnahmen bieten aber schon einmal beste Voraussetzungen, um unseren Wandel erfolgreich weiter zu treiben. Unser aktuelles Geschäftsmodell – Produktion, Verkauf und Service von mit Diesel betriebenen Lkw, Bussen und Vans – wird mittelfristig leider nicht mehr funktionieren. Ganz Europa verordnet sich mit „Fit for 55“ ein Programm, das die Nationalstaaten zur weiteren Verschärfung der Klimaziele zwingen wird und uns so den Wandel zum Teil mit auferlegt. Denn wenn wir uns nicht wandeln und unsere Flotte elektrifizieren, werden wir in absehbarer Zukunft unsere Kunden nicht mehr bedienen können.

Welche Wegstrecke hat MAN denn schon bei der Transformation des Unternehmens zurückgelegt?

Alexander Vlaskamp Wir machen unsere Hausaufgaben! Viel wurde erreicht und mein herzlicher Dank gilt allen, die dazu mit viel Energie und Engagement beigetragen haben! Auch wenn zum Teil schwierige Entscheidungen getroffen werden mussten, haben wir sie gemeinsam getroffen – auch in Abstimmung mit unseren Betriebsräten. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit den angestoßenen Maßnahmen unser Gesamtziel einer nachhaltigen Ergebnisverbesserung in Höhe von bis zu 1,7 Milliarden Euro erreichen können.

Wie weit tragen die strukturellen Maßnahmen dazu bei?

Alexander Vlaskamp Die strukturellen Maßnahmen haben eine enorme Bedeutung. Unseren Personalabbau stemmen wir entlang der demografischen Kurve – ohne betriebsbedingte Kündigungen. Für Steyr und Plauen konnten gute Lösungen erzielt werden, die den Standorten und unseren Kolleginnen und Kollegen dort eine Zukunftsperspektive geben. Die damit verbundenen Veränderungen im Produktionsnetzwerk sind auf einem guten Weg. In Polen entsteht ein äußerst flexibler Standort mit großer Varianz, der es uns ermöglicht, von der leichten bis zur schweren Reihe alles auf einem Band zu produzieren. Beim Ramp-up der Engineering-Kapazitäten für Ankara und Pune liegen wir etwa ein Jahr vor der ursprünglichen Planung. Wesentliche Teile unserer IT führen wir in Lissabon zusammen. Wir kommen langsam an den Punkt, wo die Transformation an den Standorten konkret erlebbar wird. Ich bin sicher, das wird uns allen nochmal einen Schub geben im Jahr 2022. Denn 2023 wollen und müssen wir die Ernte unserer Arbeit einfahren.

Wo stehen wir beim anderen großen Feld der Ergebnisverbesserung, den Materialkosten?

Alexander Vlaskamp Bei den Materialkosten werden wir 2021 bereits Einsparungen in Höhe von rund 240 Millionen Euro erreichen. Das ist gut – aber bis zu den ursprünglich geplanten Einsparungen ist es auch noch ein weiter Weg. In diesem Bereich haben wir keinen Rückenwind. Die Lieferketten sind aufgrund der Pandemie weiter global gestört. Die Engpässe insbesondere bei den Halbleitern machen auch uns zu schaffen und das wird vermutlich auch im gesamten ersten Halbjahr anhalten. Die Rohmaterialkosten steigen stetig – auch das spielt uns nicht gerade in die Karten. Einerseits sind unsere Auftragsbücher, zumindest beim Lkw und Van, voll. Die Nachfrage ist groß, das Angebot aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Krise aber gering. Alle OEMs, auch wir, stehen daher vor großen Herausforderungen, die in den ersten Monaten des laufenden Geschäftsjahres auch zu Produktionsengpässen führen können.

Auch technologisch stehen wir vor großen Herausforderungen. Ist für unsere Kunden die E-Zukunft schon greifbar?

Alexander Vlaskamp Dass ein E-Lkw schon Mitte des Jahrzehnts über eine Reichweite von ca. 1000 km verfügen wird, müssen wir glaubhaft vermitteln können. Von den neuen Produkten müssen wir die Kunden erst noch überzeugen. Und mit den „alten“ noch eine ganze Weile unser Geld verdienen. Das ist ein gehöriger Spagat, den wir da vor uns haben. Unsere Kunden verfolgen allesamt einen Ansatz der Gesamtkostenbetrachtung - schauen auf die Total Cost of Ownership (TCO). Die Verschärfung der Klimaziele führt unmittelbar zu einem steigenden CO2-Preis und damit zu höheren Kosten für Diesel. Das merken wir schon jetzt jedes Jahr – wenn auch noch leicht – an den Tankstellen. Dieser Effekt wird jedoch jedes Jahr größer. Etwa zur Mitte des laufenden Jahrzehnts werden die gesamten Betriebskosten für einen elektrisch betriebenen Lkw und einen mit Diesel betriebenen dann gleich sein. Das heißt, „E“ wird wirtschaftlicher als „D“. Das ist sozusagen unser Kipppunkt. Nur deshalb sind wir gerade mitten in einem der größten Umbrüche, die MAN in seiner über 260-jährigen Unternehmensgeschichte erlebt hat. Denn die Anforderungen unserer Kunden verändern sich in einer unglaublichen Geschwindigkeit und in sehr naher Zukunft. Und wir müssen uns jetzt darauf einstellen. Unsere Unternehmensstrategie NewMAN gibt uns dabei die Richtung vor.

Das heißt, NewMAN hat weiter Bestand?

Alexander Vlaskamp Mit der NewMAN-Strategie wurde ein gutes und sehr wichtiges Fundament für die Neuausrichtung von MAN gelegt. Darauf werden wir aufbauen. Hier kommt es vor allem auf Geschwindigkeit an. Wichtig dabei ist es, dass alle Räder ineinander greifen. Das fängt bei den Veränderungen im Produktionsnetzwerk an und endet bei der Neuaufstellung, Verschlankung und Steuerung des Vertriebs. Alle Maßnahmen leisten ihren Beitrag, damit wir nachhaltig unser Ergebnis verbessern, um eine „Robust Company“ zu werden. Denn nur dann sind wir in der Lage, die Mittel zu erwirtschaften, die wir für Investitionen in unsere Zukunft brauchen. Damit wir als „Smart Innovator“ unseren Anteil leisten können im Verbund, der immer wichtiger wird. Ein gutes Beispiel dafür ist auch die Neugründung des Joint Ventures von TRATON GROUP, Daimler und Volvo zum Aufbau einer Hochleistungsladeinfrastruktur. 1.700 Ladepunkte sollen ab diesem Jahr europaweit für batterieelektrische Fernverkehrs-Lkw entstehen. Hierzu sollen gemeinsam 500 Millionen Euro investiert werden – die bisher bei weitem größte Investition in Ladeinfrastruktur für schwere Lkw in Europa. Schon allein das unterstreicht, mit welchem Ernst die Branche das E-Thema verfolgt.

Und es zeigt, wie viel Geld notwendig ist, um den Wandel zu finanzieren…

Alexander Vlaskamp Bei der Ladeinfrastruktur profitieren wir von einem Zusammenschluss der größten Hersteller in Europa. Unsere MAN Lkw werden perspektivisch an den Hochleistungsladepunkten „E“ tanken. Auch bei anderen Themen ist Zusammenarbeit das „A und O“. Uns fehlen allein schlicht die finanziellen Mittel. Mit einer Umsatzrendite von acht Prozent wären wir zumindest in der Lage, unsere notwendigen Zukunftsinvestitionen tätigen zu können. Auf diesem Niveau sind wir leider aktuell noch nicht. Dazu müssen wir den Wandel weiter mit aller Vehemenz vorantreiben. Wir haben es selbst in der Hand! Und ich bin zuversichtlich, dass es uns gemeinsam gelingen wird, MAN zu einem führenden Anbieter von intelligenten und nachhaltigen Transportlösungen zu machen! Als wichtige Marke innerhalb unserer Gruppe. Wir müssen die Zusammenarbeit unter dem Dach von TRATON mit Scania und Navistar sowie VW Truck & Bus auf ein neues Niveau heben, um gegenseitig von unserem Know-how zu profitieren. Einzelkämpfer waren wir lange genug.

Wie zuversichtlich sind Sie dabei?

Alexander Vlaskamp Es gibt viele Projekte, die mich zuversichtlich stimmen, wie die Veränderungen im Produktionsverbund oder beim Engineering. In unserem Produktportfolio finden sich mehr und mehr Ansätze gebündelter Leistungen – wo Service gleich integriert gedacht wird. Wir haben ein gutes Paket von dem ich mir wünschen würde, dass es schon 2022 durchschlägt. Damit wir sozusagen ein gutes Zwischenzeugnis erhalten. 2023 werden unsere Hausaufgaben und unsere harte Arbeit endgültig benotet. Wir richten aber natürlich schon jetzt den Blick über diese beiden Jahre hinaus. In der Entwicklung beschäftigen wir uns beispielsweise unter dem Dach von TRATON gemeinsam mit Scania mit der vierten Generation der batterieelektrischen Plattform. Sie wird im Vergleich zu ihren Vorgängergenerationen einen signifikant verbesserten Anteil an gleichen Teilen aufweisen, die beide Marken dann gemeinsam nutzen können, was wiederum enorme Vorteile beim Einkauf und oder Fertigung sowie auch nachgelagerten Service bringt – ohne die starke Marke MAN zu verwässern. Es ist es wichtig, an diesen Stellen neu zu denken, den Lkw praktisch neu zu erfinden.

Wieso glauben Sie, dass wir uns neu erfinden müssen?

Alexander Vlaskamp Unsere Geschäftsmodelle werden sich grundsätzlich verändern – getrieben von Digitalisierung, Elektrifizierung und im nächsten Schritt vom autonom fahrenden Lkw. „Transport as a Service“ ist hier ein wichtiges Stichwort. Digitale Dienstleistungen und Services bekommen eine viel stärkere Bedeutung. Nur wer hier den Ton angibt, die smartesten Ideen und besten Lösungen hat, wird sich behaupten. Eigentlich gibt es aktuell nichts Spannenderes als diese Themen aktiv zu gestalten – zumindest nicht für einen Nutzfahrzeug-Fan wie mich. Und zum Glück weiß ich bei MAN weit über 30.000 Kolleginnen und Kollegen weltweit um mich, die in diesem Wandel ebenfalls große Chancen und Herausforderungen sehen. Wenn wir alle am selben Strang ziehen, unseren Kunden gut zuhören und uns schnell genug an die Veränderungen in der Welt der Logistik anpassen, dann werden wir die beste Gesamtlösung am Markt liefern.

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