MAN Truck & Bus
Der Velo-Pionier Heinrich Büssing (vorne) mit seinem selbstgebauten Drei-Rad. Das Bild entstand ungefähr 1870.
In dem Dorf Nordsteimke, heute ein Stadtteil von Wolfsburg, wurde Heinrich Büssing am 29. Juni 1843 geboren. Nach dem Abschluss der Dorfschule machte er bei seinem Vater eine Ausbildung zum Schmied. Zwei Jahre später, mit knapp 18 Jahren, begab sich Büssing für eineinhalb Jahre auf Wanderschaft durch Deutschland und die Schweiz. Dabei fiel dem jungen Handwerker auf, wie radikal die Industrialisierung Leben und Arbeiten veränderte. Er erkannte: Die Zukunft würde der industriellen Produktion gehören. Den Rest seines Lebens im elterlichen Betrieb zu verbringen, konnte er sich nicht mehr vorstellen. Er wollte mehr.
Zurück in der Heimat schrieb er sich als Gasthörer am Collegium Carolinum in Braunschweig ein, der späteren Technischen Hochschule der Stadt und besuchte Vorlesungen in Maschinenbau und Bautechnik. 1866, mit 23 Jahren, fand er eine Anstellung in einem Ingenieurbüro, das auf den Eisenbahnbau spezialisiert war. Doch auch dort hielt es den tatkräftigen Büssing nicht lange: Im Jahr 1868 machte er sich selbstständig.
In Braunschweig eröffnete Heinrich Büssing eine „Velocipedes-Fabrik“ und baute in einer kleinen Werkstatt Fahrräder, die er selbst konstruiert hatte. Für den jungen Familienvater bestand kein Zweifel daran, dass Mobilität eine Schlüsselrolle im industriellen Zeitalter spielen würde.
Von Anfang an bewies Büssing seine Kreativität als Erfinder. Er verbesserte seine zwei- und dreirädrigen, eisenbereiften Fahrräder kontinuierlich, machte sie eleganter und günstiger – und durch geschicktes Marketing bekannt. Er bewarb sie in Briefen, Prospekten sowie Kleinanzeigen und präsentierte sie auf Ausstellungen.
Familienportrait Heinrich Büssing (sitzend, zweiter von links) mit seiner Familie im Garten, aufgenommen im Jahr 1895.
Doch 1870 kam das Aus: Büssing geriet in Finanznöte und musste seine Fabrikation aufgeben. Auch weil mit Ausbruch des Deutsch-Französischen Kriegs seine internationalen Geschäftsbeziehungen zerstört worden waren.
Noch im selben Jahr versuchte Heinrich Büssing sich erneut als Unternehmer mit einer Maschinenbaufirma. Die Firma brachte ihm allerdings hohe Schulden ein. Das Blatt wendete sich für den Erfinder, als er 1873 mit dem Braunschweiger Kaufmann Max Jüdel ein Eisenbahn-Signalbau-Unternehmen gründete.
Heinrich Büssing wurde Chefkonstrukteur in der „Eisenbahnsignal-Bauanstalt Max Jüdel & Co“ und realisierte viele bahnbrechende Ideen im Eisenbahnbau. Insgesamt meldete er 92 Patente in diesem Bereich an – doch sein Erfindergeist war damit noch lange nicht erschöpft.
Heinrich Büssing wollte die Mobilität von Menschen und Gütern noch weiter voranbringen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zog er sich deshalb aus dem Eisenbahngeschäft zurück und gründete 1903 mit seinen Söhnen Max und Ernst auf dem Gelände einer ehemaligen Braunschweiger Wäscherei die „H.Büssing, Special-Fabrik für Motor-Lastwagen und Omnibusse“. Der mittlerweile 60-jährige Ingenieur hatte seit 1900 mit dem Bau von Nutzfahrzeugen experimentiert. 1902 baute er seinen ersten Versuchswagen, genannt „die graue Katze“. Obwohl der Konstrukteur zu diesem Zeitpunkt bereits ein erfülltes und erfolgreiches Berufsleben hinter sich hatte, sah er das volle Potential der Mobilität noch nicht ausgeschöpft – vor allem nicht für die einfache Bevölkerung.
„Wir bauen Wagen für Leute, die sonst zu Fuß gehen müßten. Andere mögen bauen für Leute, die vorher Kutsche gefahren sind", formulierte Büssing 1903 das Ziel seines Unternehmens. Im selben Jahr produzierten die Büssings den ersten fahrtüchtigen Lastkraftwagen, angetrieben von einem Zweizylinder-Ottomotor mit einer Leistung von neun PS. Wenig später, im Jahr 1904, folgte der zweite Streich des jungen Unternehmens: die Fertigung eines 20-PS-Omnibusses mit Kettenantrieb und einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Bus konnte zwölf Personen befördern und ging bald darauf in Serienproduktion.
Wir bauen Wagen für Leute, die sonst zu Fuß gehen müßten. Andere mögen bauen für Leute, die vorher Kutsche gefahren sind.
/
Erster Büssing-Lkw 1903 produzierten die Büssings den ersten fahrtüchtigen Lastkraftwagen, angetrieben von einem Zweizylinder-Ottomotor mit einer Leistung von 9 PS.
/
Ikonisches Vorbild Der Büssing Obersitz-Omnibus diente als Unterbau für die Vorgänger der berühmten Doppeldeckerbusse. Dieses Bild entstand in London, England im Jahr 1905.
/
Büssings erste Luftreifen Damit die Fahrt in seinen Fahrzeugen bequemer wurde, stieg Büssing im Jahr 1906 in Zusammenarbeit mit Continental in die Entwicklung der ersten Luftreifen ein.
/
Der Löwe Ein Büssing-Lkw IV Gln steht vor dem Werk in Braunschweig, aufgenommen in den 1920er Jahren. Auf dem Torbogen prangt bereits der Löwe.
besaß der deutsche Erfinder insgesamt. Zeit seines Lebens entwickelte er stetig neue Innovationen und Verbesserung.
0 Patente
alleine meldete Heinrich Büssing davon im Bereich der Fahrzeugentwicklung an.
Der Rahmen des Fahrzeugs bestand aus U-Trägern, die sonst im Eisenbahnbau verwendet wurden. Die Räder waren aus Hartgummi gefertigt. Das Fahrzeug wies eine patentierte Hinterachsfederung sowie eine Differenzialsperre auf. Damit die Fahrt in seinen Fahrzeugen bequemer wurde, stieg Büssing im Jahr 1906 in Zusammenarbeit mit Continental in die Entwicklung der ersten Luftreifen ein.
Heinrich Büssing vertrieb seine Fahrzeuge mit großem Erfolg. Bereits 1904 verkehrten seine Busse unter dem Dach der Büssing-eigenen „Automobil-Omnibus-Betriebs-Gesellschaft Braunschweig“ im Linienverkehr. Bald wurden auch Postsendungen mit diesen Omnibussen transportiert.
Ebenfalls ab 1904 lieferte das Unternehmen 400 Fahrgestelle nach London, wo sie als Unterbau für die Vorgänger der berühmten Doppeldeckerbusse dienten. Die Expansion auf ausländische Märkte trieb das Unternehmen aktiv voran: Ab dem Jahr 1908 wurden Vertretungen in St. Petersburg, Moskau, Kiew, Odessa, Riga, Warschau und in den Niederlanden aufgebaut.
In den 1920er- und 1930er-Jahren stieg das Unternehmen, das seit 1913 den Braunschweiger Löwen zu Werbezwecken verwendete, zu einem der führenden Nutzfahrzeughersteller in Deutschland und Europa auf.
/
Retro-Charme Diverse Prospekte der Firma Büssing aus den 1930er Jahren.
/
Retro-Charme Diverse Prospekte der Firma Büssing aus den 1930er Jahren.
/
Retro-Charme Diverse Prospekte der Firma Büssing aus den 1930er Jahren.
Ab 1924 fertigte Büssing Omnibusse mit drei Achsen, von denen die beiden Hinterachsen angetrieben wurden. Der erste Omnibus mit Unterflurmotor aus dem Hause Büssing wurde 1936 vorgestellt. Es war ein dreiachsiger Frontlenker mit der Typbezeichnung Trambus. Unterflurmotoren hatten den Vorteil, dass sie für die Wartung sehr gut zugänglich waren und mehr Platz für die Gestaltung des Fahrerhauses ließen. Außerdem kam es zu weniger Lärm- und Geruchsbelastung im Innenraum.
1929 starb Heinrich Büssing, er wurde 86 Jahren alt. Büssing hatte über 150 Patente im Bereich Fahrzeugentwicklung erworben. Seine Söhne führten das Unternehmen weiter und machten sich auch in der Folgezeit einen Namen mit technischen Neuerungen. Dazu gehörte ein 1934 vorgestellter Autobahn-Omnibus mit zwei jeweils 140 PS starken Dieselmotoren. Ab den 1930er Jahren entwickelte Büssing auch Omnibusse in selbsttragender Bauweise und mit Oberleitungsantrieb. Ab 1936 begann bei den Braunschweigern die Allradentwicklung. Während des Zweiten Weltkriegs stellte die Firma Raupenschlepper, Panzerspähwagen, Flugmotoren und Lkw her, darunter auch ein leichtes und geländegängiges Modell, den so genannten Einheitsdiesel.
Auch während der 50er Jahre war das Unternehmen erfolgreich. Das änderte sich erst im nachfolgenden Jahrzehnt: 1960 schrieb die in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Büssing AG zum letzten Mal rote Zahlen. 1962 stieg die Salzgitter AG in das Unternehmen ein und übernahm es bis 1968 vollständig. Die Produktion wurde 1965 zu großen Teilen in das neue Werk nach Salzgitter verlegt. Unter anderem die zu hohen Entwicklungskosten brachten die Firma in immer größere wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Jahr 1971 wurde das Unternehmen schließlich von MAN übernommen.
MAN hielt am Büssing-Firmenlogo, dem Braunschweiger Löwen, fest. Bis heute ziert es den Kühlergrill von MAN Nutzfahrzeugen – und erinnert so an den „Lastwagenkönig“ und Pionier der Mobilität: Heinrich Büssing.
Ganz schön beliebt Dieser Büssing-NAG Trambus 900 TU mit erstem Unterflurmotor beförderte Passagiere in und rund um Hannover im Jahr 1936.
/
Eine Institution Das Büssing-Werk befand sich in der damaligen Elmstraße 40 in Braunschweig, dem heutigen Heinrich-Büssing-Ring. Die Aufnahme des Werks ist von 1918.
/
Metropolen-Flitzer Dieser Büssing 6-Radwagen fuhr auf der Hamburger Hochbahn, ca.1926.
/
Ergonomisches Desing Dieses Foto von 1935 zeigt den Büssing Reichsautobahn-Bus.
/
Diesel-Motor Der Büssing-NAG 250 war mit einem LD4 Motor ausgestattet und wurde 1936 produziert.
/
Ein großer Erfolg Der Büssing-Bus Senator war in den 60er Jahren ein großer Erfolg und fuhr in vielen deutschen Städten.
/
Transportlösungen Die Firma Büssing konzentrierte sich jedoch nicht nur auf herkömmliche Fahrzeuge, sondern bot auch spezielle Lkw und Busse an, wie den Supercargo 22-150 Decklaster. Das Bild des Lkw entstand 1966.