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Heinrich Büssing im Portrait

Heinrich Büssing: Pionier der Mobilität

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Er baute Fahrräder, entwarf Stellwerke für die Eisenbahn und ging als Pionier des Lkw- und Omnibus-Baus in die Geschichte ein: Heinrich Büssing. Der deutsche Erfinder besaß fast 250 Patente und gründete mehrere Unternehmen, auch die spätere Büssing AG, die 1971 von MAN übernommen wurde.

3 Männer auf einem 3-Rad (1870)
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Der Velo-Pionier Heinrich Büssing (vorne) mit seinem selbstgebauten Drei-Rad. Das Bild entstand ungefähr 1870.

In dem Dorf Nordsteimke, heute ein Stadtteil von Wolfsburg, wurde Heinrich Büssing am 29. Juni 1843 geboren. Nach dem Abschluss der Dorfschule machte er bei seinem Vater eine Ausbildung zum Schmied. Zwei Jahre später, mit knapp 18 Jahren, begab sich Büssing für eineinhalb Jahre auf Wanderschaft durch Deutschland und die Schweiz. Dabei fiel dem jungen Handwerker auf, wie radikal die Industrialisierung Leben und Arbeiten veränderte. Er erkannte: Die Zukunft würde der industriellen Produktion gehören. Den Rest seines Lebens im elterlichen Betrieb zu verbringen, konnte er sich nicht mehr vorstellen. Er wollte mehr.

Zurück in der Heimat schrieb er sich als Gasthörer am Collegium Carolinum in Braunschweig ein, der späteren Technischen Hochschule der Stadt und besuchte Vorlesungen in Maschinenbau und Bautechnik. 1866, mit 23 Jahren, fand er eine Anstellung in einem Ingenieurbüro, das auf den Eisenbahnbau spezialisiert war. Doch auch dort hielt es den tatkräftigen Büssing nicht lange: Im Jahr 1868 machte er sich selbstständig.

Büssings Anfänge als Fahrradfabrikant

In Braunschweig eröffnete Heinrich Büssing eine „Velocipedes-Fabrik“ und baute in einer kleinen Werkstatt Fahrräder, die er selbst konstruiert hatte. Für den jungen Familienvater bestand kein Zweifel daran, dass Mobilität eine Schlüsselrolle im industriellen Zeitalter spielen würde.

Von Anfang an bewies Büssing seine Kreativität als Erfinder. Er verbesserte seine zwei- und dreirädrigen, eisenbereiften Fahrräder kontinuierlich, machte sie eleganter und günstiger – und durch geschicktes Marketing bekannt. Er bewarb sie in Briefen, Prospekten sowie Kleinanzeigen und präsentierte sie auf Ausstellungen.

Familien-Portrait Büssing 1895
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Familienportrait Heinrich Büssing (sitzend, zweiter von links) mit seiner Familie im Garten, aufgenommen im Jahr 1895.

Doch 1870 kam das Aus: Büssing geriet in Finanznöte und musste seine Fabrikation aufgeben. Auch weil mit Ausbruch des Deutsch-Französischen Kriegs seine internationalen Geschäftsbeziehungen zerstört worden waren.

Chefkonstrukteur der Jüdel-Werke

Noch im selben Jahr versuchte Heinrich Büssing sich erneut als Unternehmer mit einer Maschinenbaufirma. Die Firma brachte ihm allerdings hohe Schulden ein. Das Blatt wendete sich für den Erfinder, als er 1873 mit dem Braunschweiger Kaufmann Max Jüdel ein Eisenbahn-Signalbau-Unternehmen gründete.

Heinrich Büssing wurde Chefkonstrukteur in der „Eisenbahnsignal-Bauanstalt Max Jüdel & Co“ und realisierte viele bahnbrechende Ideen im Eisenbahnbau. Insgesamt meldete er 92 Patente in diesem Bereich an – doch sein Erfindergeist war damit noch lange nicht erschöpft.

Umstieg auf Lkw und Busse

Heinrich Büssing wollte die Mobilität von Menschen und Gütern noch weiter voranbringen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zog er sich deshalb aus dem Eisenbahngeschäft zurück und gründete 1903 mit seinen Söhnen Max und Ernst auf dem Gelände einer ehemaligen Braunschweiger Wäscherei die „H.Büssing, Special-Fabrik für Motor-Lastwagen und Omnibusse“. Der mittlerweile 60-jährige Ingenieur hatte seit 1900 mit dem Bau von Nutzfahrzeugen experimentiert. 1902 baute er seinen ersten Versuchswagen, genannt „die graue Katze“. Obwohl der Konstrukteur zu diesem Zeitpunkt bereits ein erfülltes und erfolgreiches Berufsleben hinter sich hatte, sah er das volle Potential der Mobilität noch nicht ausgeschöpft – vor allem nicht für die einfache Bevölkerung.

„Wir bauen Wagen für Leute, die sonst zu Fuß gehen müßten. Andere mögen bauen für Leute, die vorher Kutsche gefahren sind", formulierte Büssing 1903 das Ziel seines Unternehmens. Im selben Jahr produzierten die Büssings den ersten fahrtüchtigen Lastkraftwagen, angetrieben von einem Zweizylinder-Ottomotor mit einer Leistung von neun PS. Wenig später, im Jahr 1904, folgte der zweite Streich des jungen Unternehmens: die Fertigung eines 20-PS-Omnibusses mit Kettenantrieb und einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Bus konnte zwölf Personen befördern und ging bald darauf in Serienproduktion.

Wir bauen Wagen für Leute, die sonst zu Fuß gehen müßten. Andere mögen bauen für Leute, die vorher Kutsche gefahren sind.

Heinrich Büssing
Erfinder und Unternehmer

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besaß der deutsche Erfinder insgesamt. Zeit seines Lebens entwickelte er stetig neue Innovationen und Verbesserung.


 

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alleine meldete Heinrich Büssing davon im Bereich der Fahrzeugentwicklung an.


 

Der Rahmen des Fahrzeugs bestand aus U-Trägern, die sonst im Eisenbahnbau verwendet wurden. Die Räder waren aus Hartgummi gefertigt. Das Fahrzeug wies eine patentierte Hinterachsfederung sowie eine Differenzialsperre auf. Damit die Fahrt in seinen Fahrzeugen bequemer wurde, stieg Büssing im Jahr 1906 in Zusammenarbeit mit Continental in die Entwicklung der ersten Luftreifen ein. 

Erst Braunschweig, dann die Welt

Heinrich Büssing vertrieb seine Fahrzeuge mit großem Erfolg. Bereits 1904 verkehrten seine Busse unter dem Dach der Büssing-eigenen „Automobil-Omnibus-Betriebs-Gesellschaft Braunschweig“ im Linienverkehr. Bald wurden auch Postsendungen mit diesen Omnibussen transportiert.

Ebenfalls ab 1904 lieferte das Unternehmen 400 Fahrgestelle nach London, wo sie als Unterbau für die Vorgänger der berühmten Doppeldeckerbusse dienten. Die Expansion auf ausländische Märkte trieb das Unternehmen aktiv voran: Ab dem Jahr 1908 wurden Vertretungen in St. Petersburg, Moskau, Kiew, Odessa, Riga, Warschau und in den Niederlanden aufgebaut.

In den 1920er- und 1930er-Jahren stieg das Unternehmen, das seit 1913 den Braunschweiger Löwen zu Werbezwecken verwendete, zu einem der führenden Nutzfahrzeughersteller in Deutschland und Europa auf.

Ab 1924 fertigte Büssing Omnibusse mit drei Achsen, von denen die beiden Hinterachsen angetrieben wurden. Der erste Omnibus mit Unterflurmotor aus dem Hause Büssing wurde 1936 vorgestellt. Es war ein dreiachsiger Frontlenker mit der Typbezeichnung Trambus. Unterflurmotoren hatten den Vorteil, dass sie für die Wartung sehr gut zugänglich waren und mehr Platz für die Gestaltung des Fahrerhauses ließen. Außerdem kam es zu weniger Lärm- und Geruchsbelastung im Innenraum.

Ein unvergessener Pionier

1929 starb Heinrich Büssing, er wurde 86 Jahren alt. Büssing hatte über 150 Patente im Bereich Fahrzeugentwicklung erworben. Seine Söhne führten das Unternehmen weiter und machten sich auch in der Folgezeit einen Namen mit technischen Neuerungen. Dazu gehörte ein 1934 vorgestellter Autobahn-Omnibus mit zwei jeweils 140 PS starken Dieselmotoren. Ab den 1930er Jahren entwickelte Büssing auch Omnibusse in selbsttragender Bauweise und mit Oberleitungsantrieb. Ab 1936 begann bei den Braunschweigern die Allradentwicklung. Während des Zweiten Weltkriegs stellte die Firma Raupenschlepper, Panzerspähwagen, Flugmotoren und Lkw her, darunter auch ein leichtes und geländegängiges Modell, den so genannten Einheitsdiesel.

Auch während der 50er Jahre war das Unternehmen erfolgreich. Das änderte sich erst im nachfolgenden Jahrzehnt: 1960 schrieb die in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Büssing AG zum letzten Mal rote Zahlen. 1962 stieg die Salzgitter AG in das Unternehmen ein und übernahm es bis 1968 vollständig. Die Produktion wurde 1965 zu großen Teilen in das neue Werk nach Salzgitter verlegt. Unter anderem die zu hohen Entwicklungskosten brachten die Firma in immer größere wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Jahr 1971 wurde das Unternehmen schließlich von MAN übernommen.

MAN hielt am Büssing-Firmenlogo, dem Braunschweiger Löwen, fest. Bis heute ziert es den Kühlergrill von MAN Nutzfahrzeugen – und erinnert so an den „Lastwagenkönig“ und Pionier der Mobilität: Heinrich Büssing.

Menschen vor dem Büssing-NAG Trambus 900 TU mit erstem Unterflurmotor in Hannover 1936
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Ganz schön beliebt Dieser Büssing-NAG Trambus 900 TU mit erstem Unterflurmotor beförderte Passagiere in und rund um Hannover im Jahr 1936.

Text   Susanne Theisen
Fotos   MAN

#Geschichte#Unternehmen#Lkw#Bus

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