MAN Truck & Bus

Prof. Wolfgang Jenewein schaut freundlich in die Kamera.

Jeder kann zum Leader werden

Interview mit Prof. Wolfgang Jenewein, Universität St. Gallen

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Prof. Wolfgang Jenewein ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen und Direktor am dort angesiedelten Institut für Mobilität (IMO-HSG). Er berät Großkonzerne wie MAN und hat im Sportbereich unter anderem mit der Deutschen Fußballnationalmannschaft zusammengearbeitet. Für eine erfolgreiche Transformation empfiehlt er vor allem zwei Tugenden: Demut und Neugier. 

Welche Veränderungen und globalen Trends sind für Unternehmen derzeit besonders relevant?

Prof. Wolfgang Jenewein Der Druck auf die Unternehmen kommt einerseits durch die Regierungen, die verstärkt ökologische und ethische Standards setzen. Gleichzeitig werden die Kunden anspruchsvoller und achten verstärkt auf Nachhaltigkeit, ethische Aspekte sowie die Qualität. Eine wichtige Rolle spielt aber auch der Wettbewerb. Heute erlauben Digitalisierung und Künstliche Intelligenz neuen Playern, schnell mit innovativen Produkten auf den Markt zu kommen. Etablierte Unternehmen wie MAN können sich darum ihrer führenden Rolle in Zukunft nicht mehr sicher sein. Und es ist auch unmöglich vorherzusagen, woher die neue Konkurrenz kommt. Das können Start-ups aus dem Silicon Valley oder aus China sein, die heute noch niemand auf dem Radar hat.

Wie sollten Unternehmen auf diese Situation reagieren?

Prof. Wolfgang Jenewein Sie sollten vor allem nicht warten, bis der Druck zu groß wird. Sonst sind sie zum Handeln gezwungen und verlieren die Initiative. Idealerweise kommt der Wunsch nach Veränderung von innen, und die Organisation will sich aktiv weiterentwickeln. „Wir wollen“ statt „Wir müssen“ – das sollte die Einstellung sein. Allerdings verstehe ich auch, dass man bewährte Erfolgsmodelle nicht so einfach über Bord werfen will. Das ist zutiefst menschlich.

Haben es die etablierten Unternehmen angesichts der vielen Veränderungen grundsätzlich schwerer?

Prof. Wolfgang Jenewein Wer lange so erfolgreich war wie MAN, neigt dazu, Schwächen zu ignorieren und nicht mehr dazuzulernen. Der Gegenentwurf dazu lautet: Demut! Das ist eine Tugend, die ich nur sehr empfehlen kann. Wir sind alle nicht perfekt; und wer eine demütige Haltung hat, kann Zweifel zulassen. Zweifel wiederum führen zu Neugier, die ihrerseits zu neuen Entdeckungen und Entwicklung führt – und dann idealerweise wieder zu Demut, weil man diesen Zirkel durchlaufen hat und etwas lernen durfte.

Demut ist nicht gerade die klassische Tugend von Managern. Wie müssen sich Führungskräfte angesichts der vielen Veränderungen selbst weiterentwickeln?

Prof. Wolfgang Jenewein Sie sollten sich von Managern zu Leadern wandeln. Natürlich ist Management wichtig und wird auch weiterhin gebraucht – denn durch Planen, Strukturieren und Optimieren schafft es Ordnung und Berechenbarkeit. In einem volatilen Umfeld ist das aber zu wenig. Darum braucht die Führungskraft der Zukunft neue Fähigkeiten: Sie muss Inspiration und Sinn vermitteln, Mitarbeiter motivieren, Teams stärken und teilweise wie ein Coach agieren. Statt nur rational auf Zahlen und Fakten zu sehen, achtet der Leader mehr auf Gefühle. Statt Probleme sieht er Potenziale. Und er stellt sich immer die Frage: Wo sind die Stärken? Wie kann das ganze System weiter wachsen?

Wie bringen Sie Führungskräfte auf den Weg zum Leader?

Prof. Wolfgang Jenewein Entscheidend ist die Reflexion des Einzelnen über sein Verhalten. Eine wirkungsvolle Methode ist es, seine Karriere vom Ende her zu denken und sich beispielsweise zu fragen: Was für eine Abschiedsrede wird man einmal auf mich halten? Wird sie peinlich oder ehrlich und emotional sein? Eine emotionale Abschiedsrede werden nur echte Leader bekommen. In unseren Workshops schreiben die Teilnehmer unter anderem solche Abschiedsreden auf sich selbst, was viele zum Nachdenken bringt.

Wo steht MAN aktuell beim Transformationsprozess?

Prof. Wolfgang Jenewein Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren viele Veränderungsprozesse durchlaufen. Für die Mitarbeiter ist das eine schwierige Situation. Trotzdem spüre ich, dass sie die Veränderungen mittragen möchten. Wichtig ist, dass die Transformation nachhaltig ist und die ganze Organisation erfasst. Das bedeutet auch, dass Bewertungs- und Belohnungssysteme in Zukunft die neue Leadership-Philosophie berücksichtigen müssen.

Welche Botschaft haben Sie an die Mitarbeiter von MAN oder anderen Unternehmen, die sich in einem Transformationsprozess befinden?

Prof. Wolfgang Jenewein Bleiben Sie neugierig, auch wenn es einmal schwieriger wird! Neugier ist eine der besten Tugenden des Menschen, weil sie uns wachsen lässt. Das bedeutet auch: nicht bewerten und immer offen sein. Das erleichtert den Umgang mit Veränderungen ungemein, weil man in ihnen nicht unbedingt Gefahren, sondern Möglichkeiten zum Dazulernen erkennen kann. Denn eigentlich wollen sich Menschen ja lebenslang weiterentwickeln – und oft ist es nur die Angst vor dem Übergang, die sie davon abhält. Was mir aber auch ganz wichtig ist: Leadership ist keine Frage der Hierarchie. Gute Führung bedeutet, positiven Einfluss auf andere zu nehmen. Und diese Chance hat jeder einzelne Mitarbeiter – so gesehen kann auch ein Auszubildender zum Leader werden.

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Text   Christian Buck
Fotos   laif/Florian Generotzky

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