MAN Truck & Bus
Ein kleiner Fuhrpark trudelt an einem der wenigen Schneetage im Januar auf der MAN Teststrecke am Stadtrand von München ein. Neben einem MAN TGX Individual Lion S, der mit seinem exklusiven Exterieur-Design in Lion red die Blicke auf sich zieht, kommt ein schwarzer Kipper mit neongelber Aufschrift zum Stehen. Auf der anderen Seite des TGX rollt ein nicht minder auffälliger MAN Truck in die Halteposition, schwarz lackiert und mit pinkfarbenen Statement-Elementen wie dem MAN Logo auf dem Kühler sowie einem geschwungenen „Christina“ auf der Sonnenblende. Als sich die Türen der beiden Neuankömmlinge öffnen, ist das Hallo groß. Christina Scheib und Nadine Achatz umarmen sich lachend. Zeit für ein Update, es gibt einiges zu besprechen.
Brummiparade: Zum Workshop kamen die Fahrerinnen natürlich mit ihren Trucks.
fehlen aktuell
0 Fahrer und Fahrerinnen
werden 2030 fehlen
Die beiden sind Teil einer Gruppe von sieben Frauen, die sich zwar erst zum zweiten Mal treffen, aber schon jetzt eine Art Think-Tank bilden, der sich Gedanken über die Zukunft des Lkw macht – aus der Frauenperspektive. Der „WoMAN Workshop“, organisiert von MAN Truck & Bus, stellt wichtige Fragen – und findet viele Ansätze, wie der Beruf des Berufskraftfahrers für Frauen attraktiver gemacht werden könnte und welche Rolle das Fahrzeug dabei spielt. Eine wichtige Aufgabe, denn Deutschland steht vor einer großen Herausforderung: Einerseits wird ein steigender Fachkräftemangel bei den Fahrern prognostiziert (aktuell fehlen etwa 95.000 Fahrer, 2030 werden es 200.000 sein) und andererseits sind nur 2,7 Prozent der Lkw-Fahrenden Frauen.
Hört man den Frauen im Alter von Anfang 20 bis Mitte 40 zu, die sich im MAN Pavillon eingefunden haben, möchte man das nicht glauben. Mit Überzeugung, Witz und Charme erzählen sie über ihren Traumberuf, ohne ihn zu beschönigen oder zu verklären. Konzentriert hört ein Team aus den MAN Bereichen Engineering Design um die Psychologin Dr. Sigrun Weise, Marktforschung und MAN Truckers World zu. Von 0 auf 100 in gefühlt zehn Sekunden entsteht eine vertrauensvolle Atmosphäre, ohne die es nicht möglich wäre, in so kurzer Zeit sensible Themen wie Hygiene, das Sicherheitsbedürfnis, Arbeitszeiten, Bezahlung oder den Umgang zwischen Männern und Frauen offen und klar zu benennen. MAN beschäftigt sich seit Jahren mit den Bedürfnissen der Fahrerinnen und Fahrer, um die nutzerzentrierte Entwicklung voranzubringen. Mit dieser Workshop-Reihe stehen die weiblichen Fahrer allein im Fokus.
Stephanie Bosch transportiert Gefahrgüter und wirft ein: „Man braucht Standhaftigkeit, denn der Ton ist rauer als in anderen Berufen.“ Auch Angie Doll fand es anfangs schwierig, Chefs davon zu überzeugen, dass sie Laster und auch Bagger souverän steuern kann. Sie macht übrigens gerade den Ausbilderschein. Auch ein Weg, Strukturen zu verändern.
Die Rahmenbedingungen sind nicht einfach – wie so oft, wenn Frauen ihren Platz in einer Männerdomäne beanspruchen. „Vor zehn Jahren war es noch härter“, sagt Cindy Schneppe, seither habe sich bereits einiges getan. Dennoch: „Wir üben einen Beruf aus, der während der Corona-Pandemie als systemrelevant geadelt wurde. Das sind wir! Aber wir müssen uns auch jeden Tag beweisen und um Akzeptanz in der eigenen Branche kämpfen“, bestätigt Christina Scheib, die sich auch öffentlich für ein anderes Image der Fahrerinnen stark macht.
Um sich in einer Firma als Fahrerin wohlzufühlen, muss das ganze Paket passen. Da zählt nicht nur der Lkw, der bereitgestellt wird, sondern auch, dass einen die männlichen Kollegen akzeptieren
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Gastgeberin: Dr. Sigrun Weise von MAN führte durch den Workshop.
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Mit Überzeugung, Witz und Charme: Die Fahrerin Angelina Doll berichtet von ihrem Alltag.
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Vertrauensvolle Atmosphäre: Die Fahrerin Stephanie Bosch (rechts) während der Diskussion. Die MAN Color & Trim-Designerin Carolin Schütt (halb verdeckt) und die MAN Interieur- und UI-Designerin Lena Kliewer-Seehon (Mitte) hören aufmerksam zu.
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Analyse: Dr. Sigrun Weise bei der Auswertung der Fahrerinnen-Biographien sowie der Vor- und Nachteile des Berufs.
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Erfolgreich in einer Männerdomäne: Corinna Eberle (Mitte) fährt Feuerwehrfahrzeuge.
Die Wünsche und Ideen der Frauen, die jeden Tag viele Stunden in ihren Kabinen verbringen, sind klar und präzise formuliert. Viele davon decken sich mit denen der Männer, aber Frauen haben aufgrund ihrer Anatomie weitere Vorstellungen, wie die Ergonomie der Sitze sein sollte oder wie sie Hygieneprodukte verstauen möchten. Auch die Toilettensituation ist bei ihnen verschärft, denn die meisten Rastplätze sind nachts alles andere als einladend – und im Dunkeln allein vom Truck zur Raststation zu gehen, mag keine der Anwesenden.
Die Designerinnen und Entwicklerinnen von MAN hören genau hin, notieren Kommentare zur Haptik, zu Materialien, zum Alltag im Cockpit und fehlenden Ablageflächen, Getränkehaltern oder Steckdosen. „Wir nehmen alles auf, auch wenn Hindernisse wie die hohen Kosten für einen Lkw-Führerschein, lange, unbezahlte Standzeiten oder mangelnde medizinische Versorgung unterwegs nicht von einem Unternehmen wie MAN gelöst werden können“, sagt Sigrun Weise. Aber all die Informationen sind wichtig, denn noch immer ist zu wenig über die Gesamtsituation der Fahrerinnen bekannt.
Die sieben Frauen wünschen sich mehr Akzeptanz innerhalb der Branche, aber auch von der Gesellschaft. „Wir Frauen sind keine ‚Trucker Babes‘, wie sie im Fernsehen gezeigt werden“, sagt Christina Scheib. Dem Satz stimmen alle zu. Der Austausch ist ihnen wichtig, und so wird dies nicht das letzte Treffen gewesen sein. Denn im Bereich Lkw-Fahrerinnen gibt es noch viel zu entdecken, um die Lkw so zu modifizieren, dass wenigstens das Arbeitsgerät den Job für die Frauen attraktiver macht.
Ergiebige Diskussion: Das MAN Team bekam viele Hinweise, etwa zur Haptik, zu Materialien oder zum Alltag im Cockpit.