MAN Truck & Bus

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Zum Schutz der Kinder: Wie Abbiegeunfälle verhindert werden können


Jedes Jahr verunglücken Radfahrer und Fußgänger bei Kollisionen mit Lkw oder Bussen. Um insbesondere Kinder besser zu schützen, führen MAN-Mitarbeiter nicht nur „Tote-Winkel-Trainings“ an Schulen durch. MAN hat auch smarte Assistenzsysteme entwickelt, die Unfälle verhindern. Eines hat der bayerische Innenminister Joachim Herrmann in Nürnberg unter die Lupe genommen.

Ein Mädchen und eine Frau sitzen im Fahrerhaus eines roten Trcuks. Das Mädchen gestikuliert mit ihren Händen einen Abstand.
Roter Pfeil nach rechts

Perspektivwechsel Erst auf dem Fahrersitz begreifen Kinder so richtig, dass Lkw-Fahrer sie im toten Winkel nicht sehen können.

Nachdem sie auf den Sitz geklettert ist, greift sich die achtjährige Anni das schwarze Lenkrad, als hätte sie nie etwas anderes getan, als Lkw zu fahren. Von hier oben, im Fahrerhaus eines MAN TGM, wirkt die Straße unten plötzlich weit weg. Im rechten Rückspiegel sieht Anni den Basketballkorb auf dem Sportplatz ihrer Montessori-Schule in Kaufering. Dann wandert ihr Blick zu Carolin Grassot, die sich auf den Beifahrersitz neben sie setzt.

Von Carolin Grassot und ihrem Ehemann Jouan Grassot, die beide bei MAN arbeiten – sie als Ingenieurin, er als Qualitätsmanager –, haben Anni und ihre Mitschüler eben noch im Klassenzimmer gelernt, dass ein 40-Tonnen-Lkw in etwa so viel auf die Waage bringt wie 1.000 Schüler in ihrem Alter. Und nun sitzt Anni selbst am Steuer eines ähnlich schweren Kolosses. Carolin Grassot wendet sich an die junge Lastwagenfahrerin. „Anni, jetzt stell Dir einmal vor, auf der Ladefläche hinter Dir sind Boxen mit Essen geladen, die Du rechtzeitig in der Küche eines Restaurants abliefern musst. Du willst an der Ampel rechts abbiegen und setzt den Blinker. Neben der Beifahrertür wartet eine Gruppe lachender Kinder ungeduldig darauf, dass die Ampel endlich auf Grün springt. Es ist heiß. Die Kinder wollen losrennen, das Freibad schon vor Augen. Deine und die Fußgängerampel springen nun auf Grün. Schau bitte in deinen rechten Spiegel. Kannst du fahren?“

Genau wie die anderen Montessori-Schüler, die sich an diesem Julitag ans Steuer des über drei Meter hohen MAN-Trucks setzen, stutzt auch Anni. Denn obwohl das Mädchen genau weiß, dass Jouan Grassot mit ihren Mitschülern dicht neben dem Koloss stehen, kann sie niemanden sehen. Die Kinder warten zwischen zwei rot-weißen Absperrbändern, die am rechten Außenspiegel verknotet sind und den toten Winkel eingrenzen. Dieser Bereich ist für Anni von ihrem Fahrersitz aus unsichtbar. So sehr sie sich auf den rechten Rückspiegel konzentriert, erkennt sie darin nur, wie der Wind am Netz eines Basketballkorbes zupft. Anni blickt Carolin Grassot an und sagt: „Von hier oben sehe ich sie ja wirklich nicht.“ Die Ingenieurin nickt: „Wegen des toten Winkels ist Abbiegen so gefährlich.“

Mit Trainings zu mehr Sicherheit 

Laut ADAC sterben bei Kollisionen mit Lkw in Deutschland jährlich etwa 70 Radfahrer, 665 erleiden schwere Verletzungen. Jeder Dritte dieser Unfälle ist ein Abbiegeunfall mit Personen im toten Winkel. Laut dem bayerischen Innenministerium verunglückte 2019 und 2020 allein in Bayern je ein Kind auf dem Schulweg. Um das zu ändern, engagieren sich die Grassots in ihrer Freizeit für mehr Verkehrssicherheit. Rund 200 Kinder haben sie an der Kauferinger Schule in den Jahren 2019 und 2021 für die Gefahren im Straßenverkehr inzwischen sensibilisiert.

Außerdem nehmen MAN-Mitarbeiter an der Aktion „Sicher zur Schule – sicher nach Hause“ teil, in deren Rahmen Experten der Verkehrswachten und Trainer des Schulungsanbieters MAN ProfiDrive bereits im Herbst 2020 zahlreiche Grundschulen in Bayern besucht haben. Derzeit koordiniert MAN mit den Verkehrswachten bayerischer Landkreise weitere Termine, um die Aktion fortzuführen.

MAN setzt sich für Sicherheit im Verkehr auf mehreren Ebenen ein. Dazu gehört neben den Informationsveranstaltungen in Schulen vor allem auch die Ausstattung von Bussen und Lkw mit smarten Assistenzsystemen, die Unfälle verhindern, die durch tote Winkel verursacht werden. Genau das ist die Aufgabe des neuen Spiegelersatzsystems MAN OptiView, das ab Oktober 2021 für die Lkw der neuen Truck Generation bestellbar und ab Januar 2022 erhältlich ist. Ein Kamerasystem und Displays ersetzen herkömmliche Rückspiegel und unterstützen Fahrer durch die Rundumsicht bei schwierigen Fahrsituationen – etwa drohenden Kollisionen mit Fahrradfahrern oder Fußgängern. Die zusätzlich erhältliche warnende Abbiegehilfe ist ebenfalls in das Anzeigekonzept integriert. Eine Innovation im Bus, einen aktiv warnenden Abbiegeassistenten mit Fußgängerkennung, demonstrierte Viktor Schaub vom Produktmarketing von MAN bei einem Termin mit Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und der Gemeinschaftsaktion „Sicher zur Schule – sicher nach Hause“ in Nürnberg.

„Alles, was die Sicht des Fahrers verbessert und ihn auf Gefahren rechtzeitig aufmerksam macht, erhöht die Sicherheit des Schulwegs.“  

Wolfang Prestele
Geschäftsführer der Gemeinschaftsaktion „Sicher zur Schule – sicher nach Hause"

So funktionieren die Assistenzsysteme 

Viktor Schaub führt die Funktion des neuen Abbiegeassistenten an einem MAN Lion’s Intercity vor, einem rund 13 Meter langen Überlandbus, der häufig im Schulverkehr eingesetzt wird. Als der 36-jährige MAN-Mitarbeiter sich aus dem toten Winkel heraus dem Fahrzeug nähert, erfassen ihn zwei Kameras, die außen am Schulbus verbaut sind. Diese senden eine Warnung zum Cockpit in die Fahrerkabine.

Dort hat Innenminister Herrmann Platz genommen. Mit beiden Händen am Lenkrad sieht er, wie im rechten Bereich der Frontscheibe ein gelbes Männchen auf einer ovalen Anzeige aufleuchtet. Als Schaub in die Gefahrenzone läuft, piepst und leuchtet das Männchen rot. Die Sensoren haben die Kollisionsgefahr erkannt. Der Minister hört aufmerksam zu, als Heinrich Degenhardt von MAN ProfiDrive ihm erklärt, wie sich der Abbiegeassistent mit weiteren Kamerasystemen kombinieren ließe. „Prima“, entgegnet der Minister. „Finde ich sehr gut, was MAN hier entwickelt hat.“

Auch Wolfang Prestele, der Geschäftsführer der Gemeinschaftsaktion „Sicher zur Schule – sicher nach Hause", sagt, er setze große Hoffnung in „diese neuen Systeme“. Es komme gerade beim Abbiegen immer wieder zu Unfällen. „Alles, was die Sicht des Fahrers verbessert und ihn auf Gefahren rechtzeitig aufmerksam macht, erhöht die Sicherheit des Schulwegs.“

Förderung für moderne Fahrzeugausstattungen

Gesetzlich vorgeschrieben sind Abbiegeassistenzsysteme in der EU für alle neuen Lkw und Busse ab 2024. Doch man wolle schon jetzt Anreize schaffen, damit Verkehrsunternehmen und Speditionen ihre Fahrzeuge bereits mit der neuen Technik ausstatteten, sagt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, nachdem er aus dem Bus gestiegen ist. Das Bundesverkehrsministerium fördert die Ausstattung schon heute mit bis zu 1.500 Euro. Schließlich, konstatiert Herrmann, sei jedes Kind, das auf dem Schulweg zu Schaden komme, ein Kind zu viel.

So sehen das auch die MAN-Mitarbeiter Jouan und Carolin Grassot, die in der Kauferinger Schule einem Kind nach dem anderen den Perspektivwechsel ermöglicht haben. „Klar ist das wahnsinnig viel Aufwand“, sagt die 39-jährige Lkw-Ingenieurin. Sie und ihr Mann haben viele Stunden in die Vorbereitungen gesteckt, sind insgesamt vier Tage vor Ort und haben den Lkw persönlich zur Montessori-Schule gefahren. Doch wenn sie sieht, wie es bei den Kindern „Klick macht“, da sie erst am Lenkrad sitzend wirklich begreifen, was und wie gefährlich der tote Winkel ist, dann weiß sie, dass sich der Besuch mit ihrem Mann gelohnt hat.

Was also würde Anni tun, wenn sie beim nächsten Mal vor einem Bus oder Lkw die Straße überqueren will? „Warten, bis das Fahrzeug abgebogen ist?“, fragt Anni. „Genau“, antwortet Carolin Grassot und lächelt. „Du wartest, hältst Abstand und warnst auch andere Kinder, die noch nicht wissen, was du gerade gelernt hast.“

Text   Anna Gauto
Fotos   Dominik Gigler

#Sicherheit#Assistenzsysteme#Lkw#Bus

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