MAN Truck & Bus

Der vollelektrische MAN Lion's City E fährt durch die StadtEin elektrischer MAN Bus fährt auf einer Straße.

Der Lion’s City E fährt und fährt und fährt

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Ein starkes Team, eine gemeinsame Mission – und ein beeindruckendes Ergebnis. Wochenlang hat MAN auf den Efficiency Run hingefiebert. Nun war es endlich soweit: Der Lion’s City E startete seine Runden auf einer Münchner ÖPNV-Route unter ganz realen Bedingungen. Wie sich der Elektro-Bus geschlagen hat? Eine spannende Reportage direkt von der Strecke.

Der vollelektrische MAN Lion's City E fährt aus einer Halle heraus
Roter Pfeil nach rechts

Früher Startschuss Pünktlich um 04:00 Uhr beginnt die lange Testfahrt für den Lion's City E.

Schon das fünf Meter hohe Tor mitten auf der Fahrbahn zeigt, dass hier etwas Besonderes passiert. „Electrifying Efficiency“ steht auf dem Querbalken – das ist Anspruch und Zielmarke zugleich. Und zwar für ihn, den Elektrobus in Petrol-Optik, ein Lion‘s City 12 E, wegen der markanten Farbe MAN-intern auch „Green Hornet“ genannt, Grüne Hornisse.

Rund ein Dutzend Techniker und Spezialisten haben sich an diesem Dienstag auf der MAN-Teststrecke 2 in Karlsfeld, dem Start und Ziel der E-Bus-Fahrt, bei München versammelt. Seit 2020 ist der Lion‘s City E auf dem Markt, kontinuierlich haben die Ingenieure seine Leistung optimiert. Der Efficiency Run soll nun zeigen, wie weit der Bus mit einer einzigen Batterieladung kommt. Und zwar unter realen Bedingungen, auf einer echten Busroute. Schafft er 400 Kilometer? 450? Oder gar mehr? „Wenn eine 5 vorn stehen würde, wäre das spektakulär“, sagt Sascha Böhnke, Bus-Tester und Fachjournalist beim Magazin „Omnibusrevue“, der den Versuch ebenfalls begleitet.

Ein langer Tag startet

Gestartet ist Green Hornet in den frühen Morgenstunden. Nach dem letzten Vollladen hat der TÜV Süd die Ladebuchse vorab mit zwei Sicherheitssiegeln versehen. Mehrere Fahrer wechseln sich ab. Auch wenn nicht von vornherein klar ist, wie lange die Batterie reichen wird, eins steht fest: Es wird ein langer Tag. Denn so viel sei an dieser Stelle verraten: Am Ende wird der Test genau 24 Stunden gedauert haben.

Um 11 Uhr vormittags hat der Bus bereits vier Runden hinter sich gebracht. Eine Runde, das sind 39,6 Kilometer: von der MAN-Teststrecke 2 über den Münchner Stadtteil Moosach nach Puchheim, eine Kleinstadt im Speckgürtel, und wieder zurück. Alltags sind auf dieser Route der MVG-Stadtbus 176 und der Schnellbus X80 der Münchner Verkehrsgesellschaft unterwegs. Sie ist typisch für Einsatzgebiete, auf denen der Lion’s City 12 E künftig eine größere Rolle spielen wird. Der vollelektrische Bus soll nicht nur kleinteilige innerstädtische Strecken bedienen, sondern auch längere Abschnitte und Vororte verbinden. Ohne Nachladen, als unkomplizierte Alternative zum Verbrenner.

Redakteur Böhnke hat gerade selbst hinterm Steuer gesessen – und ist begeistert. „Das ganze Fahrwerkskonzept, die Abstimmung funktioniert wunderbar.“ Gleich drei Einsätze als Fahrer absolviert er im Laufe des Efficiency Run. „Ich will ja selber wissen, wie weit kommt man, wie weit kann man so eine Technologie nutzen?“ Als Journalist will er sich nicht nur auf die Profis von MAN verlassen. „So kann ich sagen, ich war dabei, als Mitfahrer und als Fahrer, und es ist alles mit rechten Dingen zugegangen.“

E-Bus als unkomplizierte Alternative

Gelingt es nachzuweisen, dass der E-Bus vergleichsweise lange Strecken ohne Zwischenladung bedienen kann, verbessert das die Wirtschaftlichkeitsrechnung und gibt Kunden Sicherheit. „Ängste nehmen, Vertrauen schaffen“, beschreibt Heinz Kiess die Aufgabe. Als Leiter Produktmarketing Bus bei MAN Truck & Bus ist er schon seit dem frühen Morgen vor Ort. „Aus Umfragen wissen wir, dass sich Busunternehmer Elektrofahrzeuge wünschen, deren Handling genauso unproblematisch ist wie das von Dieselbussen. Wir wollen zeigen, dass sich der Lion’s City E nahtlos in Betriebsabläufe einfügt.“ Mit anderen Worten: Tagsüber lässt er sich ohne Unterbrechung einsetzen. Die Batterie lädt nachts, im Depot.

Start zur Runde fünf. Mit leisem Surren setzt sich der Bus in Bewegung. Am Steuer Thorsten Helbig, Trainer bei der MAN-Fahrschule ProfiDrive. Er trägt eine türkisfarbene Windjacke, passend zum Busdesign, und lobt zunächst mal das Cockpit: „Übersichtlich und aufgeräumt. Ich kann damit gut umgehen.“

Ängste nehmen, Vertrauen schaffen, das ist unser Motto bei MAN

Heinz Kiess
Leiter Produktmarketing Bus bei MAN Truck & Bus

Ein ProfiDrive-Fahrer sitzt am Steuer eines elektrischen MAN-Busses
Roter Pfeil nach rechts

Ein Profi am Steuer Thorsten Helbig ist Trainer bei der MAN-Fahrschule ProfiDrive und weiß ganz genau, wie man E-Busse fahren muss. 

Das große Display, auf dem Fahrgäste normalerweise die Haltestellen ablesen können, zeigt jetzt zwei Dutzend Messdaten: neben Geschwindigkeit etwa auch Verbrauch und Bremsverhalten sowie, ganz wichtig, die restliche Reichweite. Sie verändert sich mit Strecke und Fahrverhalten. Gut ausbildete Fahrer, die vorausschauend fahren, beeinflussen die Energiebilanz positiv – und tragen so zur Wirtschaftlichkeit bei.

Auf den richtigen Fahrstil achten

Helbig zeigt, wie’s geht, bremst frühzeitig vor einer gelben Ampel ab. „Man geht anders ran als beim Verbrenner“, sagt er. Und nennt Beispiele: „Beim Anfahren nicht voll ins Gas einsteigen. Zielgebremst in die Haltestellen reinfahren, um die Speicherung wieder aufzuladen.“ Jedes Bremsen verwandelt den Motor in einen Generator, Energie fließt ins System zurück. Heinrich Degenhart, Abteilungsleiter Bus bei MAN ProfiDrive, sagt: „Wir liegen zurzeit bei einer Rekuperation von 38 Prozent. Das ist schon sehr viel.“ Gute Aussichten also, dass der Lion’s City E beim Efficiency Run erfolgreich abschneiden wird.

Der Test läuft unter realen Bedingungen, der Bus stoppt an jeder Haltestelle, die Türen öffnen und schließen sich. Immer wieder müssen die Fahrer Zustiegsversuche abwehren, wie am Bahnhof Puchheim, als eine ältere Dame energisch auf die Tür zusteuert. „Bitte nicht, Testbus“, ruft Helbig. Da hatte die Seniorin vermutlich schon die Geisterpassagiere erblickt: 14 schwarze Dummies, mit roten Gurten festgeschnallt, jeder 68 Kilo schwer. Damit das Gewicht ungefähr einer durchschnittlichen Auslastung entspricht. Auch das Wetter spielt eine Rolle. Die frühlingshaften Temperaturen heute sind günstig, tagsüber muss der Innenraum kaum geheizt oder klimatisiert werden. Doch immer wieder gehen heftige Schauer nieder, die den Reifenwiderstand erhöhen. Um so ehrgeiziger werden die Fahrer. Im Laufe des Tages entbrennt ein regelrechter Wettstreit: Wer schafft die Runde mit dem geringsten Verbrauch?

Ein final normiertes Verfahren zur Reichweitenmessung gibt es bei Stadtbussen noch nicht, deshalb sind Versuche wie dieser so wichtig. Als die Technologie für MAN neu war, entschied sich das Unternehmen beim Lion’s City E für eine Reichweitenangabe von bis zu 270 Kilometern. Es war eine bewusst konservative Prognose – sie sollte vor allem verlässlich sein. Inzwischen ist klar, dass bei guten Bedingungen sehr viel mehr drin ist, auch durch bessere Softwaresteuerung und Optimierung der Batteriereserve.

Keine Pause für den E-Bus

„Dann stelle ich mal die Spiegel ein“, sagt kurz vor 17 Uhr Abteilungsleiter Kiess und zieht sein Sakko aus. Auch er will an diesem besonderen Tag ans Steuer. Seinen Busführerschein hat er schon vor Jahrzehnten gemacht: Als Student überführte er Busse innerhalb Europas, bis hoch nach Russland und runter nach Marokko. Das waren, natürlich, Verbrenner. An dem Bus, den der Manager heute fährt, steht „Electrifying Europe“. So ändern sich die Zeiten. Der Stadtverkehr der Zukunft ist elektrisch, davon ist Kiess fest überzeugt: „Elektromobilität findet nicht morgen statt, sondern ist Gegenwart.“ Überall auf der Welt entdecken große Städte für ihren ÖPNV grüne Technologie. Mit dem Lion’s City E hat MAN eine nachhaltige Serienlösung im Angebot, um diese Nachfrage zu bedienen.

„Wir sind vergleichsweise spät in den Markt gekommen, aber mit großen Schritten unterwegs“, sagt Kiess. „Viele Hersteller haben einen konventionellen Bus genommen und in diesen geometrischen Rahmen einen Elektroantrieb eingebaut. Wir hingegen haben das Fahrzeug an die Elektromobilität angepasst.“ Die Batterien – mit einer Leistung von 480 Kilowattstunden – sind auf dem Dach platziert, was sie vor Unfällen schützt und für die Wartung besser zugänglich macht. Der Innenraum ist podestfrei, und es gibt vier Plätze mehr als im Dieselbus, weil der Motorblock entfällt. Auch der Materialeinsatz wurde optimiert: Um die Reichweite zu erhöhen, zählt jedes Kilo weniger.

Zur Spätschicht nach 17 Uhr trifft auch Jörg Junginger ein, Leiter Fahrerprobung Bus bei MAN. Er ist aufgeregt, wie die meisten hier. „Das ist für uns weit mehr als eine Technik-Veranstaltung“ – nämlich eine Bestätigung der eigenen Arbeit, ein gutes Ergebnis vorausgesetzt. „Wir sind für die umfangreichen eigenen Entwicklungen in diesem Fahrzeug verantwortlich. Ein sehr wichtiges Kriterium ist die Reichweite. Wir haben diese theoretisch kalkuliert und getestet. Heute fahren wir einen Abgleich zur Realität.“ Der Efficiency Run ist daher auch Grundlage für die weitere Optimierung des Fahrzeugs, schließlich werden die Verbrauchsdaten abhängig von Fahrstil, Wetter und Straßenverlauf genau ausgewertet. „Welche Unterschiede erfahren wir heute im Vergleich zu unseren Tests? Das bringt uns weiter.“

Eine neue Messlatte

Vor dem großen Test hatten sie im Team gewettet, wie hoch die Reichweite liegen würde. Während sich der Bus wieder auf den Weg macht, werden die Schätzungen diskutiert. Kiess war mit 464 Kilometern vorsichtig, Versuchsingenieur Maximilian Huber hatte 495 vorausgesagt, auch Junginger war unter den 500 geblieben. Einzig Ausbilder Degenhart war überzeugt davon, dass die 500er-Marke zu knacken sei.

Davon aber hatte wohl keiner zu träumen gewagt: Als der Lion’s City E zum letzten Mal das Tor auf der Teststrecke passiert und wieder ins MAN-Werk einfährt, hat er mit nur einer Batterieladung 14 Runden geschafft, genau 550,8 Kilometer, nach exakt 24 Stunden. So steht es in der Bestätigung vom TÜV Süd, ausgestellt zum Testende am Mittwoch, um vier Uhr morgens. Er stelle sich auf eine lange Nacht ein, hatte Jörg Junginger noch gesagt, bevor er in den Bus gestiegen war. Recht sollte er behalten. Doch sie hat sich gelohnt.

0 Kilometer

So lautet die neue Messlatte, die der MAN Lion's City E in puncto Reichweite setzt.


 

Text   Christine Mattauch
Fotos   Bernhard Huber, Beat Schwiersch/ Alexander Ronsdorf (Video)

#Elektromobilität#Bus#LionsCityE#AlternativeAntriebe

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