MAN Truck & Bus
Testfahrt im Simulator Manuel Eichleiter erprobt die Bedienbarkeit des neuen Cockpits auf einer virtuellen Tour.
Auffallend oft sind es kleine Dinge, die für große Veränderungen stehen. Der drei Finger breite Schalter zum Beispiel, direkt neben dem Lenkrad. Das ist die neue elektrische Parkbremse, die früher als Pneumatikhebel in einer eigenen Mittelkonsole neben dem Fahrersitz saß. Eine Mittelkonsole aber gibt es in der neuen Truck Generation nicht mehr. „Ist mir direkt aufgefallen“, sagt Manuel Eichleiter. Freier Durchstieg im Fahrerhaus – wenn das keine Verbesserung ist! Eichleiter, 31 Jahre und Berufskraftfahrer seit 2009, ist begeistert. An die neue Tastrichtung zum manuellen Betätigen der Parkbremse hat er sich sehr schnell gewöhnt.
Große Bewegungsfreiheit, mehr Sicherheit und nutzerfreundlich wie nie zuvor: Damit punktet die neue Lkw-Generation von MAN. Mit einem Konzept, das schon im Ansatz auf die Bedürfnisse der Anwender zugeschnitten ist. Beim neuen Truck haben sich die Entwickler nicht am Vorgängermodell orientiert, sondern am Arbeitsalltag der Fahrer. Und diesen Ansatz merkt man dem Fahrzeug an: „Das Fahrzeug ist von Grund auf neu definiert“, sagt Britta Michel, die als Leiterin der Abteilung Central Research HMI mit ihrem Team maßgeblich an der Entwicklung beteiligt war.
742 Lkw-Fahrer haben als Testanwender ihr Urteil abgegeben. Einer von ihnen ist Manuel Eichleiter. Er fuhr viele Kilometer im Simulator und gab in Workshops seine Meinung ab, etwa zum Ergonomiekonzept. Viele Monate später sieht er das Ergebnis in Form eines Prototyps. Aufgeregt dreht er die Hebel am Lenkrad, drückt Tasten, prüft die Menüführung auf dem Bildschirm. Das Urteil, kurz und bündig: „Gefällt mir.“ Dann zieht er die Schubladen unterhalb des Armaturenbretts auf. „DIN A4 passt da locker rein“, sagt er zufrieden. Mehr Platz überall in der Kabine – die Mittelkonsole ist ja weg. Dass diese verschwunden ist, hat weitere Vorteile.
Der Mensch im Fokus Cockpit und Fahrerhaus der neuen Lkw-Baureihe wurden komplett neu gestaltet, um dem Fahrer seine Arbeit so einfach wie möglich zu machen. Alle Benutzeroberflächen sind auf leichte Bedienung zugeschnitten. Fahrerarbeitsplatz und Wohnraum sind komfortabel wie nie zuvor. Das HMI-Team von MAN hat viele Testanwender eingebunden, um die optimale Kabinenausstattung zu entwickeln: von Fahrern für Fahrer.
Der Gangwahlhebel sitzt jetzt rechts am Lenkrad, ein ergonomisch geformter Lenkstockschalter in griffgünstiger Position. Seine Drehbewegungen sind optimal auf die Bewegungsabläufe der Hand abgestimmt. Mit dem Lenkstockschalter bedient der Fahrer zudem automatisierte Fahrprogramme, eine Weiterentwicklung der bisherigen Getriebeschaltprogramme. Deren Bedienung ist nun deutlich komfortabler geworden – durch eine einheitliche Grafikgestaltung der Displayanzeigen. Diese sind grundsätzlich so ausgelegt, dass jeder Fahrer, ungeachtet seiner Ausbildung und Erfahrung, das Fahrzeug maximal effizient und sicher bewegen kann. Neu ist auch das große digitale TFT-Display hinter dem Lenkrad. Tachometer und Drehzahlmesser sind nur noch virtuell und angeschnitten dargestellt, sodass in der Mitte viel Platz bleibt für weitere Informationen. Zum Beispiel, welche Assistenzsysteme eingeschaltet sind. Wichtig: Die Bildsprache ist selbst erklärend und prägnant.
„Im Cockpit gibt es immer mehr Funktionen, trotzdem müssen sie für den Fahrer überschaubar bleiben“, erklärt Holger Mohra, Abteilungsleiter Vehicle Functions und HMI. „Das gelingt mit unserem neuen Konzept.“ Die ergonomische Grundauslegung des Cockpits sieht eine deutliche Trennung zwischen Anzeige und Bedienung vor. Der Abstand der großen Displays zum Fahrer orientiert sich am Prinzip Fernseher: Eine vergleichsweise große Distanz verbessert die Ablesbarkeit für Fahrer aller Altersklassen. Die Bedienelemente sind hingegen alle komfortabel und ohne Verlagerung aus der Sitzposition sicher erreichbar. Deutlich aufgewertet wurden Infotainment und Navigationssystem, dargestellt auf einem zwölf Zoll großen Bildschirm. Die Steuerung läuft über einen Drehdrücksteller, integriert in das Armaturenbrett: den MAN SmartSelect. Er ist mit einem Menüwahlring blind zu bedienen. Unterstützt durch eine Handballenauflage kann das Infotainmentsystem mittels MAN SmartSelect auch bei Schwingungseinflüssen des luftgefederten Fahrersitzes sicher und intuitiv bedient werden – stets unter Beibehaltung einer komfortablen Sitzposition des Fahrers. „Ein echtes Highlight, hat sonst keiner“, findet Testanwender Manuel Eichleiter.
wurden befragt und in Workshops einbezogen
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Blickvermessung Im Fahrsimulator wird getestet, ob der Fahrer sich auf die Fahrbahn konzentriert oder sein Blick auf den Anzeigen verweilt.
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Fahrsimulation Testfahrer Manuel Eichleiter steuert über eine Landstaße.
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Teamwork Holger Mohra bespricht mit seinen Kollegen die Gestaltung des neuen Kombiinstruments.
Wir wollen es den Fahrern so leicht wie möglich machen.
Dr. Britta Michel
Leiterin der Abteilung Central Research HMI bei MAN
Die Menüinformationen sieht der Fahrer auf dem Display, das auf einer angenehmen Sichtebene angeordnet ist. Er schaut dabei geradeaus, nicht nach unten, und ist damit weniger vom Verkehr abgelenkt. Erstmals hat MAN sämtliche Menüinhalte selbst erstellt und durchgängig gestaltet, im einheitlichen Designstil. Auch das trägt dazu bei, dass die Bedienung übersichtlich und flüssig ist.
Über das Kombiinstrumemt lässt sich auch der Lenkzeitassistent aufrufen, der die Ergebnisse des digitalen Fahrtenschreibers aufbereitet: Per Knopfdruck kann sich der Fahrer beispielsweise informieren, wie lange die gesetzlich vorgeschriebene Pause noch dauert und wann er die maximale Lenkzeit erreicht. „Wir wollen es den Fahrern so leicht wie möglich machen“, sagt Britta Michel.
Eine neue Qualität bedeuten die Bedienfunktionen in der Tür. Die Fahrer müssen nicht ins Fahrerhaus klettern, um die Warnblinker ein- und auszuschalten oder die Rangierbeleuchtung zu verändern – ein Plus für die Sicherheit. Unterstützung erhalten sie zudem von verbesserten Assistenzsystemen beim Abbiegen und beim Spurwechsel: LED-Warnleuchten an der A-Säule warnen in mehreren Stufen, ob sich Radfahrer oder Fußgänger nähern, hinzu kommt ein akustischer Warnton. „Sehr gut, wenn man da mehr Sicherheit hat“, findet Eichleiter. Auch an der linken A-Säule gibt es eine LED-Warnleuchte. Sie signalisiert herannahende Fahrzeuge im sogenannten toten Winkel – hilfreich bei Überholmanövern und beim Einfahren auf die Autobahn. Wie im Pkw-Bereich nimmt auch beim Tansportverkehr im Lkw die Unterstützung durch automatisierte Technik zu.
Dr. Britta Michel, Leiterin der Abteilung Central Research HMI bei MAN
Wie waren Sie am Projekt beteiligt?
Ich habe mit meinem Team erarbeitet, wie der neue Fahrerarbeitsplatz am besten an den Fahrer und seine Bedürfnisse angepasst werden kann. Dafür haben wir uns zum Beispiel angeschaut, wie ein zentrales Bedienelement in der Mitte aussehen sollte: ein Touchscreen, ein Touchpad, ein Drehdrücksteller? Wir haben die Fahrer sehr frühzeitig eingebunden und uns angeschaut, was diese während der Fahrt am wenigsten ablenkt und womit sie gut arbeiten können.
Was konnten Sie bewirken?
Wir konnten bei Null anfangen, alles in Frage stellen, alles neu aufsetzen. So eine Chance bietet sich nicht so oft. Und das ist etwas, was sehr produktiv war und viel Spaß gemacht hat, vor allem, weil wir es zusammen mit den Fahrern gemacht haben.
Wie ist es, wenn Sie jetzt das Endergebnis Ihrer Arbeit sehen?
Es ist die schönste Belohnung zu erleben, wie viel Freude es den Fahrern macht, den neuen Truck zu fahren. Es ist ein Fahrzeug vom Nutzer für den Nutzer, das ist auch sichtbar.
Holger Mohra, Leiter der Abteilung Vehicle Functions und HMI bei MAN
Wie waren Sie am Projekt beteiligt?
Ich war erst Team-, später Abteilungsleiter. Meine Aufgabe war es, die Anzeige- und Bedienkonzepte für das neue Interieur des Fahrzeugs auf den Weg zu bringen, die Entwicklung zeitlich und inhaltlich zu planen, sie bereichsübergreifend zu vernetzen und darauf zu achten, dass Terminvorgaben strikt eingehalten werden.
Was haben Sie als besondere Herausforderung empfunden?
Es gibt viele subjektive Einzelmeinungen, wie ein Fahrerarbeitsplatz auszusehen hat, und verschiedene Einflüsse, die zu berücksichtigen sind: Kostendruck zum Beispiel und einfache technische Realisierbarkeit. Da haben wir die Sicht des Fahrers eingenommen und – bei allem Verständnis für andere Aspekte – dafür gekämpft, dass die Lösungen bestmöglich auf seine Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Erstmals bei MAN diese Form der Entwicklung verankert zu haben. Früher wurde das Thema Ergonomie und HMI dezentral bearbeitet, mit dem Risiko, Insellösungen zu schaffen. Diesmal wurden alle Konzepte an einer Stelle gesamtheitlich betrachtet. Dadurch ist die ganze Anzeige- und Bedienphilosophie aus einem Guss.
„Bedienelemente sollten möglichst zukunftsoffen sein“, sagt Holger Mohra. Hebel oder Kippschalter, die einrasten, passen nicht zu moderner, flexibler Software. Deshalb gibt es in der neuen Lkw-Generation immer mehr Tasten, deren Position nach dem Bedienen unverändert bleibt und die teilweise individuell konfiguriert werden können. Bei händischer Betätigung spürt der Fahrer unverändert einen Druckpunkt und weiß dadurch, dass er die Funktion erfolgreich wechselt. Dabei wurde viel Wert auf ein durchgängiges haptisches Konzept gelegt: Es soll eben nicht so sein, dass eine Taste schwer zu drücken ist und eine andere leicht. Mehr als zehn Jahre haben sich die Teams um Britta Michel und Holger Mohra mit der Weiterentwicklung der Bedien- und Anzeigeelemente eines Lkw beschäftigt. 742 Fahrer wurden befragt und in Workshops einbezogen, zwei Dutzend Studien angefertigt, Themen wie Ergonomie und Haptik von Bedienelementen in Zusammenarbeit mit Hochschulen und Forschungsinstituten erarbeitet. Die Entwickler fuhren aber auch selbst Raststätten an, sprachen mit Fahrern, ließen sich deren Cockpits und deren selbst gebastelte Lösungen zeigen. Die Leistung der Fahrer würdigen und ihre Wünsche ernst nehmen – das war die Leitlinie für Michel und ihre Kollegen. „Denn sie sind es, und nicht wir, die stundenlang an ihrem Fahrerarbeitsplatz sitzen.“
Zur Arbeit gehört die Entspannung. Daher lassen sich Sitz und Lenkrad mit nur einem Handgriff für kurze Pausen verstellen. Im Kabinendach gibt es sehr großzügige Staufächer, in die auch Sporttaschen passen. Und im Wohnbereich ist der Kühlschrank passgenau unterm Bett integriert. Mit einer Liegenbedienung, die erstmals ein Display hat, lassen sich alle relevanten Funktionen steuern: Radio, Licht und Wecker ebenso wie Schiebedach, Zentralverriegelung und Standklimatisierung. Aufstehen fällt so viel leichter, wenn es im Lkw wohl temperiert ist.