MAN Truck & Bus
Abstimmung aller Komponenten Auf der Teststrecke in München wurde das Fahrverhalten des neuen MAN-Trucks auch bei Steigungen und Gefälle geprüft.
Mit quietschenden Reifen kommt der Lkw zum Stehen. Dabei hinterlässt er schwarze Spuren auf dem Asphalt. Der Fahrer lächelt. Es hat geklappt. Der Notbremsassistent hat den 40-Tonner erfolgreich zum Stehen gebracht. Dass es sich bei diesem Lkw um ein ganz besonderes Fahrzeug handelt, verrät die schwarz-weiß gemusterte Tarnfolie. Was sie verbirgt? Einen neuen TGX von MAN, die Lkw-Generation 2020.
Auf der Teststrecke in München arbeiten Rainer Miksch, Erprobungsleiter für Lkw und Busse, und seine Mitarbeiter daran, neuen Produkte zur Serienreife zu verhelfen. Seit vier Jahren erproben sie den neuen Lkw in allen Modellvarianten. Knapp fünf Millionen Kilometer haben mehr als 100 Testfahrer und Versuchsingenieure mit 60 Erprobungsfahrzeugen zurückgelegt, um sicherzustellen, dass die neue Generation allen Kundenansprüchen gerecht wird. „Das haben wir geschafft“, ist sich Erprobungsleiter Miksch sicher.
Doch vom Prototypen bis zum fertigen Produkt müssen die Testteams jede Menge Untersuchungen durchführen. Dafür arbeiten Mechaniker wie Manfred Leopold und Ingenieure wie Christian Horn eng zusammen. Die Aufgaben sind klar verteilt: Leopold, der bereits die dritte Truck Generation auf der Teststrecke begleitet, bereitet die Testfahrzeuge für die Erprobungen vor und stattet sie mit der spezifischen Messtechnik aus. Bis zu 250 Messstellen kann es pro Fahrzeug geben.
Horn wiederum wertet die gesammelten Daten aus, um mögliche Schwachstellen zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen abzuleiten. Sein Spezialgebiet sind Triebstrang, Längsdynamiksysteme und verbrauchsrelevante Funktionen. Bei den Fahrten überprüfen die Testfahrer immer auch das Zusammenspiel von einer Komponente mit dem gesamten Fahrzeug. „Alle Systeme müssen in der Interaktion voll, teilbeladen und leer einwandfrei funktionieren“, erzählt Horn.
Erfahrene Testfahrer Versuchsmechaniker Manfred Leopold (links) und Versuchsingenieur Christian Horn (rechts) haben Tausende von Kilometern mit dem neuen Truck zurückgelegt und Messungen durchgeführt.
Bei der Erprobung testet das Team deshalb jedes einzelne Feature. Und das in unterschiedlichen Testszenarien. Während das Testgelände in München die Möglichkeit bietet, das Fahrzeug bereits im frühen Prototypzustand zu testen, helfen Erprobungen auf öffentlichen Straßen dabei, die Arbeitsbedingungen der Kunden nachzuempfinden. In Sommer- und Wintererprobungen verlangen die Testfahrer dem neuen Truck dann das Maximum ab. Dafür sind sie jeweils mehrere Monate in Spanien und Schweden vor Ort und erproben das Fahrzeug unter extremen Bedingungen.
Bei der Sommer- und Wintererprobung macht sich der Vorstand ein Bild vom Entwicklungsreifegrad der Fahrzeuge. Hier nutzen die Vorstandsmitglieder selbst die Chance, sich hinter das Lenkrad zu setzen und ein Gefühl für den Lkw zu bekommen. Bei der Sommererprobung 2017 erlebten die Vorstände zum ersten Mal die neue Truck Generation. „Die Möglichkeit, den Reifegrad der Fahrzeuge dem Vorstand vorzuführen und mögliche Optimierungen zu besprechen, ist ein wesentlicher Bestandteil des Entwicklungsprozesses“, erklärt Miksch.
Um dem Kunden das bestmögliche Fahrzeug bieten zu können, stehen die Anforderungen der Kunden von Anfang an im Zentrum der Entwicklung und Erprobung. „Für meine Mitarbeiter bin ich der erste Kunde“, sagt Rainer Miksch. Dafür schlüpft der Erprobungsleiter in verschiedene Rollen. Mal sei er ein Fahrer, der im Fernverkehr unterwegs ist, mal ein Kunde aus dem Distributionsverkehr. Aber auch die Kunden selbst werden in Gremien wie dem Expertenbeirat mit einbezogen. Einige von ihnen testen einzelne Features wie MAN EfficientCruise, einen GPS-gesteuerten Tempomat, im Arbeitsalltag. So kann MAN auf Verbesserungswünsche noch vor dem offiziellen Verkaufsstart eingehen und Anpassungen vornehmen.
und Versuchsingenieure haben sich bei der Erprobung der neuen Lkw-Generation beteiligt.
0 Kilometer
hat der neue MAN Truck bei Testfahrten bis zur Markteinführung zurückgelegt.
0 Erprobungsfahrzeuge
kamen zum Einsatz. Viele waren getarnt auf den Straßen unterwegs.
Mission Undercover Um nicht schon vor der Markteinführung erkannt zu werden, fährt ein neuer MAN-Truck mit Erlkönig-Tarnmuster durch München.
Gemütlich Christian Horn hat nach seinen Touren als Testfahrer gelegentlich im neuen Lkw übernachtet und den komfortablen Ruhebereich im neuen Fahrerhaus genossen.
Ob bei technischen oder strukturellen Aspekten, Miksch und sein Team überprüfen und besprechen jedes Detail. „Wir entscheiden, wie der Kunde das Fahrzeug später erlebt“, sagt Miksch. Bei den Erprobungen treffen verschiedene Ansichten und Einschätzungen aufeinander. „Wir haben an einer Stelle diskutiert, ob der Fahrer eine Ablage für sein Handy, die Zeitung oder Brille direkt beim Bett benötigt oder ob sie neben dem Armaturenbrett ausreicht“, erzählt er. „Ergebnis: Der Fahrer muss seine wichtigsten Gegenstände griffbereit haben, wenn er sich ins Bett legt.“ So banal diese Änderung klingt, so entscheidend ist sie für den Komfort des Fahrers. Diese kleinen, aber bedeutenden Änderungen machen einen gewaltigen Unterschied, sagt der Erprobungsleiter.
Neben einem effizienteren und sichereren Arbeiten ermöglicht MAN mit dem neuen Truck eine erhebliche Verbesserung des Fahr- und Wohnkomforts in der Kabine. „Der Aufbau des Fahrerhauses sowie das Ablagen-, Stauraum- und Bedienkonzept sind enorm optimiert”, erzählt Versuchsmechaniker Manfred Leopold. Jetzt könne sich der Fahrer freier im Fahrerhaus bewegen, was sich gerade bei langen Touren positiv bemerkbar mache. „Außerdem kann man den Sitz und die Lenksäule perfekt auf sich einstellen, diesen Unterschied spürt man sofort“, erklärt Leopold. Zudem könne der Fahrer sich nun noch besser auf den Verkehr konzentrieren. Dies wird durch das neu gestaltete Anzeigenkonzept und das optimierte Außenspiegelsystem möglich.
Auch die Assistenzsysteme hat das Team direkt mit beeinflusst. So arbeiteten sie etwa an der Entwicklung des Abbiegeassistenten mit, der eine zentrale Sicherheitslücke von Lastwagen endlich schließt: den toten Winkel. Die Entwicklung des Systems sei eine Herausforderung gewesen, sagt Manfred Leopold rückblickend. Denn es soll den Fahrer nur warnen, wenn ein Fußgänger oder Fahrradfahrer im toten Winkel stehe, nicht aber, wenn es sich dabei um statische Objekte wie eine Litfaßsäule oder Laterne handele. Dafür war die richtige Kalibrierung der Radarsensoren entscheidend. Das erprobten die Tester unter anderem, indem sie sich selbst in verschieden großen Abständen neben den Lkw stellten. Als das System funktionstüchtig war, testeten sie es in realen Situationen – europaweit. „Das System muss auch mit den Straßenmarkierungen in Slowenien, Italien oder England zurechtkommen“, erklärt Leopold. Für Erprobungsleiter Rainer Miksch und seine Mitarbeiter ist das Ergebnis nach vier Jahren Arbeit mehr als zufriedenstellend. „Das Fahrerlebnis ist agil und dynamisch“, erzählt Miksch. „Außerdem haben wir viele moderne Ansätze in das Fahrzeug gebracht und eine perfekte Mischung aus Altbewährtem und Neuem geschaffen.“