MAN Truck & Bus
Einmal vollladen, bitte Bernd Stangl testet den MAN TGM 26.360 E in Österreich unter realen Bedingungen. © Deniz Calagan
Die Frühlingssonne lugt an diesem Aprilmorgen schon hinter den Bergketten am Salzburger Horizont hervor, als Bernd Stangl die beiden Stufen in sein Fahrerhaus hinaufsteigt und ein Stück Zukunft anwirft. Eben hat er die Ladung seines MAN eTrucks geprüft, jetzt drückt der 50-Jährige auf den Startknopf am Armaturenbrett, und die Reichweite der Sattelzugmaschine leuchtet vor ihm auf dem Display auf: 180 Kilometer kann Stangl mit den zwölf Lithium-Ionen-Batterie-Packs zurücklegen.
Für die geplante Route ist das völlig ausreichend. Im Auftrag des österreichischen Logistikunternehmens Quehenberger Logistics wird Stangl an diesem Tag Filialen der Drogeriemarktkette dm in Salzburg ansteuern. Er wird kaum hörbar über Landstraßen surren, den 26-Tonner durch Gassen manövrieren und die halbe Salzburger Innenstadt durchqueren. Ein letztes Mal checkt Stangl im Fahrerhaus die Werte auf dem Display. Dann drückt er sanft auf das rechte Pedal und rollt mit einem leisen Summen davon.
Nachdem der Megatrend E-Mobilität den Automobilsektor durcheinandergewirbelt hat, erfasst er nun auch die Lkw-Branche. Getrieben durch politischen Druck, steigendes Umweltbewusstsein und technische Sprünge könnten E-Lkw schon bald den Güterverkehr in modernen Städten bestimmen. „Die Art und Weise, wie man in urbanen Räumen in Zukunft Güter transportiert, wird sich grundlegend verändern“, glaubt McKinsey-Berater Jakob Stöber. Er beschäftigt sich seit Jahren mit dem Wandel im Mobilitätssektor und prognostiziert, dass schon im Jahr 2030 etwa 30 bis 50 Prozent aller weltweit verkauften Lkw und Transporter im Verteilerverkehr elektrisch angetrieben werden.
Für Stöber ist klar, dass die urbanen Zentren in diesem Prozess eine zentrale Rolle spielen werden. Hier treffen kurze Strecken, strenge regulatorische Vorschriften und dichte Filialnetze aufeinander. „In so einem Umfeld können elektrische Lkw ihre Vorteile ziemlich gut ausspielen“, sagt er. Die E-Lkw dürfen auf jeden Fall in die Stadt hineinfahren, ihre Reichweite genügt, und sie können bei Zwischenstopps immer wieder geladen werden. „Für die Nutzer der elektrischen Lkw kann sich die Anschaffung unter solchen Bedingungen dann recht schnell lohnen“, sagt Stöber.
MAN hat diesen Trend längst erkannt und treibt die Entwicklung von E-Lkw seit Jahren voran. „Die Zukunft des Personen- und Güterverkehrs in der City ist elektrisch“, glaubt Vorstandsvorsitzender Joachim Drees. Er ist davon überzeugt, dass die eTrucks in urbanen Ballungsräumen vor allem mit zwei Eigenschaften punkten werden: Sie sind emissionsfrei und leise. Dadurch könnten etwa Geschäfte auch nachts beliefert und tagsüber könnte der Verkehr entzerrt werden. Laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC befürworten 75 Prozent der Befragten solche Konzepte. In Österreich erprobt MAN seine eTrucks seit Ende 2018 in der Praxis. Bernd Stangl ist einer der Testfahrer. Er und viele weitere Testfahrer prüfen die MAN eTrucks überall in der Alpenrepublik auf Herz und Nieren. Bereits Anfang 2017 fiel im österreichischen Council für nachhaltige Logistik (CNL), zu dem Stangls Arbeitgeber Quehenberger Logistics gehört, die Entscheidung, gemeinsam mit MAN elektrisch angetriebene Lkw zu testen. Mittlerweile rollen die Testfahrzeuge aus einer Kleinserie über Österreichs Straßen.
Der Vorteil des Feldversuchs: MAN und seine Kunden können gemeinsam Erfahrungen sammeln und die Optimierung der eTrucks zusammen vorantreiben. „Als Spezialist für die Filialbelieferung mehrerer Retailer setzen wir darauf, dass sich die E-Mobilität in der City-Logistik durchsetzen wird“, sagt Christian Fürstaller, CEO und Eigentümer von Quehenberger. „Mit unserem Engagement im CNL stellen wir sicher, dass die Fahrzeuge und die begleitenden Dienstleistungen in eine praxisfähige Richtung entwickelt werden.
Die ersten Erfahrungen mit dem MAN eTruck sind gut. „Mit dem elektrischen Antrieb kommt man sehr ordentlich vom Fleck“, berichtet Fahrer Stangl während er den eTruck gerade über die Staatsbrücke in der Salzburger Innenstadt steuert. Stangl weiß, wovon er spricht. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet er als Berufskraftfahrer. Die letzten fünf davon fuhr er einen herkömmlichen MAN. Als er auf den eTruck umstieg, war er zunächst skeptisch, ob die Reichweite genügt. „Wir haben die Touren erst mal eher vorsichtig geplant“, gibt er zu. Mittlerweile sind seine Bedenken zerstreut. „Für meinen Einsatzzweck ist das Fahrzeug absolut tauglich“, sagt er.
Alles Routine Auch an das Laden nach seinen Touren hat sich Bernd Stangl längst gewöhnt. © Deniz Calagan
Sauber und stark Die ersten Testfahrten und Erfahrungen mit dem MAN eTruck sind allesamt gut. © MAN
GERADE IN BALLUNGSZENTREN WIRD DER VOLLELEKTRISCH ANGETRIEBENE TRANSPORTER EINE WICHTIGE ROLLE SPIELEN.
Für MAN ist der eTruck ein wichtiger Baustein in seiner übergreifenden Elektro- Strategie. In Berlin, 530 Kilometer nördlich von Salzburg, feiert derzeit ein zweites Modell Premiere. In der deutschen Hauptstadt haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gerade die ersten vier MAN eTransporter in Betrieb genommen. Die 3,5-Tonner schaffen pro Ladung 160 Kilometer und können zwischen Brandenburger Tor, Bundestag und Alexanderplatz bis zu eine Tonne Nutzlast transportieren.
„Unser Elektro-Löwe ist für die Logistik der letzten Meile wie gemacht“, erklärt Martin Pludra, Leiter des Verkaufs Van von MAN. „Gerade in Ballungszentren wie Berlin wird der vollelektrisch angetriebene Transporter eine besonders wichtige Rolle spielen, wenn es um emissionsfreien Verkehr geht.“ Für Kunden wie die BVG kann sich das Investment schon heute lohnen. Laut einer aktuellen Studie des Center for Future Mobility vom Beratungshaus McKinsey erreichen gerade elektrische Distributionsfahrzeuge in der Stadt bereits zeitnah Kostenparität zu Diesel-Fahrzeugen, wenn die regulatorischen Hürden für Diesel-Fahrzeuge nicht zurückgenommen werden und die Kosten für Batterien wie bislang abnehmen.
„Die Kunden bekommen durch eTrucks eine Möglichkeit, die Gesamtkosten für ihre Flotte weiter zu reduzieren“, erklärt McKinsey-Berater Jakob Stöber. Schon heute seien die Betriebskosten der eTrucks für eine Reihe von Einsätzen deutlich geringer als beim Diesel. „Für gewisse Einsatzbereiche rechnen wir schon in den nächsten Jahren bei den Gesamtbetriebskosten mit einem Vorteil für den eTruck – im Detail hängt dies allerdings von einigen Faktoren ab, etwa vorhandener Ladeinfrastruktur oder möglichen Einsatzrouten“, so Stöber.
Für größere und schwerere Fracht steht der erste komplett neu entwickelte eTruck MAN CitE bereits in den Startlöchern. Nur 18 Monate dauerte es von der Skizze bis zur Präsentation des Prototypen auf der IAA im vergangenen Jahr. Dort zeigte der CitE bereits, was er kann: 290 kW Leistung, bis zu 100 Kilometer Reichweite, Power für sechs Tonnen Nutzlast. Dazu Features wie ergonomische Ein- und Ausstiege auf beiden Seiten oder das neu entwickelte 360-Grad-Kamerasystem. „Unsere Antwort auf die Bedürfnisse des Güter- und Warentransports in der Stadt“, sagt MAN-Chef Joachim Drees.
In Salzburg lenkt Bernd Stangl nach acht Stunden Schicht seinen MAN eTruck wieder auf den Parkplatz der Spedition. Eine 150-kW-Ladesäule ist in Planung. Bis dahin tankt der eTruck mithilfe einer mobilen Ladeeinheit auch über herkömmliche Starkstromsteckdosen neue Energie. Stangl steckt das Kabel in die Ladedose neben dem Fahrerhaus und trägt die Daten ins Fahrtenbuch ein. Für ihn ist das alles längst Routine geworden, für andere noch immer Zukunft. Auch heute hat ihn wieder ein Kollege gefragt, ob so ein E-Lkw tatsächlich genügend Reichweite habe.
Stangl ist solche Fragen mittlerweile gewohnt. „Ich erzähle dann immer, dass es bis auf die Reichweite eigentlich kaum einen Unterschied zu den Diesel-Trucks gibt“, sagt er. „Nur dass die eTrucks leiser sind und mehr Zug haben.“ Sein Arbeitgeber ist ähnlich zufrieden. Zusätzlich zum eTruck hat er auch drei eTransporter von MAN angeschafft. Bald werden also noch drei weitere Kollegen von Stangl elektrisch durch Salzburg fahren.
Mit bis zu 173 Kilometer Reichweite ist der MAN eVAN (eTGE 3.140) die perfekte Lösung für emissionsfreie Transporte im Stadtverkehr. Eine Tonne Nutzlast sind möglich. Das Fahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen ist mit einem 100-Kilowatt-Elektromotor ausgestattet und bereits in Serie erhältlich. Interessante Spezialfeatures sind der Flankenschutz und das Spurüberwachungssystem.
In der Gewichtsklasse von 18 bis 26 Tonnen tritt der MAN eTRUCK (TGM 26.360 E) an. Mit einer Reichweite von bis zu 180 Kilometern eignet er sich besonderes für die letzte Meile und den städtischen Verteilerverkehr. Der saubere eTruck mit 250-Kilowatt-Elektromotor ist zunächst in Kleinserie erhältlich.
Text Thomas Schmelzer
Fotos MAN (Header)