MAN Truck & Bus

Ein Feuerwehr-Mitarbeiter zerschneidet die Scheibe eines MAN-Elektrobusses mit einer Säbelsäge.Ein Feuerwehr-Mitarbeiter zerschneidet die Scheibe eines MAN-Elektrobusses mit einer Säbelsäge.

Wie die Feuerwehr einen E-Bus zerschneidet

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Ein ganz besonderer Termin in der Mobilitätsbranche: Feuerwehrleute unternehmen einen Schneidversuch an einem MAN Elektrobus. Für das Fahrzeug entsteht dabei ein Rettungsleitfaden, um die Sicherheit für Retter und Passagiere im Havariefall zu optimieren. Denn im Fall der Fälle benötigt die Feuerwehr sofort einen kompletten Überblick über das Fahrzeug.

Ein lautes Krachen und Knarzen, dann ist das Stahlrohr durch. Das Bauteil des Türantriebs – mit fast einem Zentimeter Wandstärke massiv konstruiert – wird mühelos durchtrennt. Die Hydraulikpumpe dröhnt, die Rettungsschere sucht ihr nächstes Ziel. Und Michael Klaus, ein echter Nutzfahrzeug-Enthusiast, kann nicht anders: „Der arme Bus“, seufzt der Teamleiter der 2W Technische Informations GmbH & Co. KG.

Bedauern könnte man den weißen MAN Gelenkbus vielleicht schon, denn der 18-Meter-Riese wird am Ende seiner Tage unbarmherzig zerlegt. Doch der Zweck heiligt die Mittel: In der 30 Meter großen Halle in München-Freimann findet ein Schneidversuch der Feuerwehr statt. Im Auftrag von MAN wird die optimale Vorgehensweise der Retter bei einem Elektrobus für einen Rettungsleitfaden dokumentiert. Das Unternehmen 2W Technische Informations, für das Klaus arbeitet, ist ein erfahrener Dienstleister, der in seinem Stützpunkt in München-Freimann für MAN technische Anleitungen in Bild, Text und Video erstellt – so auch für diesen E-Bus. Stefan Brochhausen, technischer Redakteur, hält mit der Kamera jeden Schritt fest. Birgit Süssner, Ludwig Fuchs und Albert Kreutmayr – Feuerwehrleute und passionierte Ausbilder – filetieren währenddessen weiter den Elektrobus.

Und zwar mit vollem Einsatz. „Wir gehen jetzt rein!“, ruft Fuchs durch die Atemmaske und beginnt mit Kreutmayr, beide in persönlicher Schutzmontur und Helm, die Türen brachial mit dem Rettungsspreizer auseinanderzupressen. Süssner setzt währenddessen die Rettungsschere an. Damit zwickt sie mit der Kraft von 105 Tonnen das Scharnier problemlos ab – und dann sind alle drin.

Hört sich nach dem Spaß an, mit dem Kinder eine Sandburg plattmachen. Das Projekt hat jedoch das wichtige Ziel, eine Instruktionsvorlage für Feuerwehren auf der ganzen Welt zu schaffen: Wie kommt man in einer Gefahren- oder Unfallsituation in einen Elektrobus rein, und das vor allem sicher? Ein Fahrzeug wie das, an dem Süssner, Fuchs und Kreutmayr schneiden, spreizen und sägen, verbirgt in seinem Innenleben ein komplexes Leitungssystem. Und damit Risiken.

 

„Für uns zählt die maximale Sicherheit von Kunden, Passagieren und Rettern“, erklärt Stefan Gobitz, bei MAN Abteilungsleiter Customer & Service Documentation. Zugleich seien Rettungsanleitungen für die Zulassung von Neufahrzeugen in Ländern wie Spanien obligatorisch. „Auch bei Ausschreibungen, wenn etwa Kommunen Nutzfahrzeuge kaufen wollen, müssen Anbieter solche Leitfäden vorweisen.“

Für das Projekt stellte MAN München einen Bus zur Verfügung. Der Dreiachser war als Testfahrzeug über viele Hunderttausende Kilometer im Einsatz. Ursprünglich mit einem Dieselaggregat ausgestattet, wurde er nachträglich auf Elektroantrieb umgerüstet und war als „Dauerläufer“ im Testeinsatz. „Der hat einiges erlebt, der war schon am Polarkreis unterwegs“, sagt MAN Mitarbeiter Michael Wagner, der beim Technischen Support für das Thema Elektromobilität zuständig ist.

 

Die ersten Schritte, die die Feuerwehrleute demonstrieren: den Antrieb deaktivieren – und sichergehen, dass im Fahrzeug kein Strom mehr fließt. Zündung aus, Feststellbremse ein, Notausschalter betätigen, Warnblinker an. Zusätzlich gibt es im Heck eine Messstelle, bei der man auf Nummer sicher gehen kann. Doch zuvor muss für das Video der Fahrer des Busses geborgen werden. „Haben wir einen Freiwilligen?“, fragt Kreutmayr in den Raum. Ein Mutiger erklärt sich bereit, setzt sich auf den Fahrersitz und lässt sich die transparente Schutzdecke anlegen, während sein Gurt durchtrennt und das Lenkrad abgezwickt wird – er könnte ja eingeklemmt sein.

Das Team der Feuerwehr hat das Modernste, was Rettungstechnik heute zu bieten hat, mitgebracht: Rettungsschere, Spreizer und Rettungszylinder von Weber Hydraulics. Daneben Gadgets wie einen Sicherheits-Federkörner sowie eine Glassäge, Säbelsäge oder das „Halligan Tool“, eine Art Eispickel mit Brecheisen. 

 

Trotz Hightech muss die Feuerwehr aber bei modernen Fahrzeugen mit Bedacht vorgehen. Gefährlich sind etwa die Hochvoltleitungen. „Da dürfen wir auf keinen Fall schneiden“, erklärt Fuchs und deutet auf grellorange Linien in der Rettungskarte, die in jedem Bus vorliegt.

Die Feuerwehrmänner und -frauen finden die signalfarbenen Leitungen am Dach, wo bei Bussen die Hochvoltbatterien und Komponenten installiert sind. Unter dem Boden im Bereich des Antriebs und eben in Holmen. Sie stoßen auch auf Heißwasserleitungen der Heizung, durch die Passagiere verbrüht werden könnten. Oder Luftleitungen der Bremsen, ohne die das Fahrzeug nicht mehr zu bewegen wäre. „Die schneiden wir nicht. Nur dann, wenn Menschenleben in Gefahr wären. Doch es ist enorm wichtig, dass Feuerwehrleute wissen, wo sie sich genau befinden“, sagt Süssner.

Bei dem Testbus vor Ort wurden die Akkus am Dach bereits vor dem Transport in die Halle entfernt. Nun entfacht eine Diskussion unter den Feuerwehrleuten: Was passiert eigentlich mit den Stromspeichern, die durchaus explodieren können? „Für E-Autos gibt es Entsorgungsbehälter, die auf einen Quarantäneplatz gebracht werden“, sagt Birgit Süssner.

IN EUROPA SIND WIR DERZEIT DABEI, ALLE STÜTZPUNKTE MIT ELEKTROSPEZIALISTEN AUSZUSTATTEN.

Stefan Gobitz
MAN Abteilungsleiter Customer & Service Documentation

Doch bei einem E-Bus? Klar: Für die rund 4,5-Tonnen-Batterien bei einem Elektro-Gelenkbus braucht man spezielles Know-how. Doch hier bietet MAN für die Retter bereits die entscheidende Antwort – und Lösung: „Über unseren Pannenservice Mobile24 schicken wir kompetente Servicetechniker mit entsprechender Qualifikation zu den Pannenfahrzeugen“, erklärt Gobitz. „Wir stellen zwar keine Kranfahrzeuge, mit denen wir havarierte Fahrzeuge selbst bergen können, aber unsere Mitarbeiter beraten die Rettungskräfte vor Ort mit ihrem Fachwissen. In Europa sind wir derzeit dabei, alle Stützpunkte mit Elektrospezialisten auszustatten“, sagt er weiter.

Bei bestehender Brandgefahr unterstützt die Feuerwehr das Bergungsunternehmen während dem Transport des kompletten Fahrzeuges mitsamt Batterie zu einer Quarantänefläche. Von dort aus kümmert sich MAN um die Rücknahme der Batterie und leitet die Abstimmung mit dem zentralen Support ein. Wird der Sicherheitszustand der Batterie als kritisch eingestuft, gelten besonders hohe Sicherheitsanforderungen. Die Batterie wird mindestens fünf Tage lang überwacht, um eine Beförderungsfähigkeit zu gewährleisten. Erst dann organisiert MAN die sichere Rückführung.

Die fachgerechte Entsorgung oder Lagerung der Batterie geschieht dann erst im zweiten Schritt dieser „Ecoline“-Rückführung. Aktuell wird in einigen Pilotprojekten von MAN untersucht, inwieweit Hochvoltbatterien, die nicht mehr für den Fahrzeugeinsatz verwendet werden können, in anderen Anwendungen ökologisch recycelt zum Einsatz kommen könnten.

Für den Schneidversuch und den Rettungsleitfaden sind an diesem Tag zumindest alle notwendigen Szenarien durchgespielt. Fuchs hakt seine To-do-Liste ab: Alle wichtigen Infos sind erfasst, in einigen Wochen wird die Dokumentation redaktionell fertiggestellt. Auch Gobitz von MAN ist zufrieden: „Das lief wirklich ausgezeichnet, alle Beteiligten haben gut zusammengespielt.“

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